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Umfrage: Pflege-Personalvorgaben praxisnah halten

Umfrage: Pflege-Personalvorgaben praxisnah halten

24. Januar 2019

Krankenhäuser warnen vor Verschärfung des Fachkräftemangels

Im Gesundheitssektor stellt der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen dar. Gleichzeitig werden aktuell die Weichen für Personalvorgaben im Bereich der Pflege in Krankenhäusern gestellt. In einem ersten Schritt hat das Bundesministerium für Gesundheit mit Wirkung zum 1. Januar 2019 Personalvorgaben für die pflegesensitiven Bereiche Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie definiert. Wir haben die 500 größten deutschen Krankenhäuser zu ihrer Einschätzung dieser Entwicklung befragt.

Engpässe bei Pflegekräften können zu Unterversorgung von Patienten und höheren Belastungen für das Stammpersonal führen.
Engpässe bei Pflegekräften können zu Unterversorgung von Patienten und höheren Belastungen für das Stammpersonal führen.

Stellenbesetzung als große Herausforderung

Für mehr als 80% der befragten Krankenhausmanager stellt die Besetzung von offenen Stellen in der Pflege eine große Herausforderung dar. Inzwischen dauert es oft mehrere Monate, bis freie Pflegestellen besetzt werden können: Etwa 40% der Krankenhäuser geben an, für die Besetzung einer Pflegestelle üblicherweise mehr als 3 Monate oder sogar mehr als 6 Monate zu benötigen. Der daraus resultierende Engpass kann sowohl zu einer Unterversorgung von Patienten, zu höheren Belastungen für das Stammpersonal durch Überstunden oder auch einer steigenden Inanspruchnahme von Zeitarbeit führen. Für das Pflegepersonal zählen wieder eine hohe Arbeitsbelastung und eine große Anzahl an Überstunden zu Faktoren, die zu Unzufriedenheit führen und Pflegekräfte dazu veranlassen, alternative Beschäftigungsoptionen zu ergreifen (z.B. im Bereich HomeCare, in Arztpraxen, etc.). Dies verschärft die Herausforderungen bei Stellenbesetzungen im Krankenhausbereich weiter.

Aufgaben außerhalb der Pflege angesiedelt

Eine Möglichkeit die Belastung für Pflegekräfte zu verringern, ist, pflegeferne Tätigkeiten von anderen Berufsgruppen ausführen zu lassen. Rund 92% der befragten Krankenhausmanager geben beispielsweise an, dass die Bettenaufbereitung in ihrem Haus von Kräften außerhalb der Pflege vorgenommen wird. Weiterhin werden Aufgaben wie Patientenlogistik, ad-hoc Reinigungstätigkeiten, die Aufnahme von Essensbestellungen sowie die Patientenaufnahme während der Regelarbeitszeit in den meisten Krankenhäusern ebenfalls nicht mehr von Pflegekräften ausgeführt. Unter den in der Umfrage genannten Aufgaben ist lediglich die Konfektionierung von Medikamenten noch überwiegend feste Aufgabe der Pflege. Zusammenfassend zeigt sich, dass sich Pflegekräfte in Krankenhäusern aktuell zunehmend auf die "Arbeit am Patientenbett" fokussieren und medizinisch-unterstützende, fachliche Aufgaben erfüllen. Hingegen werden bzw. wurden pflegeferne Tätigkeiten, wie z.B. der Stationsservice, bereits zunehmend an andere Berufsgruppen abgegeben. Krankenhäuser müssen hier beachten, dass eine stärkere Arbeitsteilung auch immer klarer Verantwortlichkeiten und Prozesse sowie einer intensiven Abstimmung aller Beteiligten bedarf.

Personalvorgaben in der Pflege

Mit einer gewissen Skepsis verfolgen die befragten Krankenhausmanager die Diskussion zu den jetzt konkret werdenden Personalvorgaben in der Pflege. Bisher sind diese Personalvorgaben am Ausbildungshintergrund der jeweiligen Kräfte orientiert. Insbesondere vor dem Hintergrund der Herausforderungen bei der Besetzung offener Stellen und der Erkenntnis, dass viele Tätigkeiten der Pflege heutzutage von Kräften außerhalb der Pflege erbracht werden, spricht sich eine große Mehrheit von 98% der befragten Krankenhausmanager dafür aus, dass sich Personalvorgaben eher am Versorgungsprozess als am Ausbildungshintergrund orientieren sollten. Andernfalls ist zu befürchten, dass Krankenhäuser für den Großteil der aktuell ausgelagerten Tätigkeiten wieder Pflegekräfte einsetzen, um so die Personalvorgaben zu erfüllen. Aufgrund der bereits jetzt schwierigen Personalsituation gibt es diese "Personalreserven" aktuell nicht. Dies würde also zu einer weiteren deutlichen Verschärfung des Fachkräftemangels führen.

Starre Vorgaben bremsen Innovationen

Die aktuelle Überlastungssituation der Pflege sollte immer auch im Kontext eines Mangels an (tatsächlicher oder empfundener) Wertschätzung für den Pflegeberuf gesehen werden. Um hier gegenzusteuern, bedarf es eines neuen Führungsverhaltens und einer echten Arbeitserleichterung für die Pflege, insbesondere bei den zuletzt stark gewachsenen administrativen Aufgaben. Dies könnte vor allem durch sinnvolle Digitalisierungsmaßnahmen erreicht werden. Starre Personalvorgaben können für diese Innovationen daher eher bremsend wirken.

Klare Botschaft an die Politik

Aus den Rückmeldungen der befragten Klinikmanager lässt sich eine klare Forderung an die Politik ableiten: Personalvorgaben sollten sich am praktischen Alltag in deutschen Kliniken orientieren und die existierende Arbeitsteilung berücksichtigen. Starre Vorgaben widersprechen demnach der Komplexität des Arbeitsalltags, verhindern Innovationen und werden sich angesichts des Mangels an ausgebildeten Pflegekräften und der Konkurrenz durch andere Bereiche im Gesundheitswesen oft schlicht nicht umsetzen lassen.

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