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IT-Budgets im Dilemma

IT-Budgets im Dilemma

12. Juni 2020

Ein Balanceakt zwischen Kosteneinsparungen und IT-Exzellenz in Unternehmen

Von Carsten Rossbach und Frederik Hammermeister

Die Corona-Pandemie und der einhergehende Abschwung der Weltwirtschaft legen den Liquiditätspool von Organisationen trocken. Kostenkontrollen entscheiden über Fortbestehen oder Pleite. Blinde IT-Kostensenkungsmaßnahmen werden jedoch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen langfristig schmälern. Das Gleichgewicht zwischen Kostensenkungen in der IT und wertorientierten digitalen Investitionen (Cashflow- bzw. EBIT-wirksam) ist wichtiger denn je.

Um diesen prekären Balanceakt zwischen Wertsteigerung und Kostensenkung zu meistern, bietet Roland Berger mit BITE (Budget IT Excellence) einen bewährten Ansatz, der neben wertsteigernden Investitionen in digitale Technologien, zielgerichtete Kosteneinsparungen in der IT identifiziert. Der Schwerpunkt liegt hier auf "zielgerichtet", denn durch pauschale IT-Kostensenkungsvorgaben entstehen technische Schulden sowie Wettbewerbsnachteile in einer immer stärker digital geprägten Wirtschaft. Das war auch vor Corona bereits ein oft begangener Fehler. Für die Zukunft gilt es daher die richtige Balance zu finden.

Die Corona-Krise ist in erster Linie eine menschliche Tragödie, hat aber auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft: Durch Kontaktbeschränkungen, unterbrochene Lieferketten und Werksschließungen steigt der Umsatz- und Kostendruck auf Unternehmen. Erneut zeigt sich die Bedeutsamkeit einer zielgerichteten Kostensteuerung für Organisationen, um Budgets optimal anzugleichen. Dies wird besonders in der IT deutlich. Heute stehen IT-Organisationen vor der Herkulesaufgabe, Kostensenkungsprogramme und die Digitalisierung der Unternehmensprozesse gleichzeitig voranzutreiben.

1. Herausforderungen, Chancen & Auswirkungen auf das Geschäft

Über das letzte Jahrzehnt des stetigen Wachstums, haben IT-Organisationen an Größe und Geltung gewonnen. Zuvor oft als reine Unterstützungsfunktion betrachtet, wurde die IT dank zunehmender Digitalisierungsbestrebungen zu einer Kernfunktion bei vielen Unternehmen weltweit. Hohe Investitionen in die Digitalisierung und damit die IT waren notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern beziehungsweise zu sichern.

In Zeiten von starken Auftragsrückgängen stehen jedoch eher Liquiditäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen im Fokus, daher geraten IT-Budgets momentan wieder stärker unter Druck:

  • Als Antwort auf den globalen Corona-Ausbruch führten nahezu alle Unternehmen Sofortmaßnahmen ein, um ihre Liquidität zu sichern. Allein bis Mitte April 2020 wurden rund 30% aller digitalen Projekte in Deutschland abgebrochen oder auf unabsehbare Zeit pausiert.
  • Das IT-Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Gartner senkt seine Prognose für IT-Ausgaben deutlich von 3,9 auf 3,4 Billionen Dollar. Betroffen sind alle Bereiche von Rechenzentren über IT-Services und Geräte.

Trotz des steigenden Kostendrucks unterstreicht die Corona-Krise die Unabdingbarkeit von digitalen Tools und Arbeitsplätzen – an vielen Stellen wird nicht etwa weniger, sondern mehr Investition in digitale Technologien notwendig. Daraus folgt:

Blinde Kostensenkungs- und Effizienzmaßnahmen dürfen IT-Abteilungen nicht daran hindern, weiterhin zur Wertschöpfung eines Unternehmens beizutragen:

  • Personalabbau darf die Qualität von kritischen IT-Dienstleistungen nicht beeinträchtigen
  • Kostensenkungen müssen mit dem Wertschöpfungsbeitrag der IT balanciert werden
  • Notwendige Investitionen müssen von unwesentlichen unterschieden werden
  • Standardisierungen und Beschränkungen auf Basis-Services dürfen die Kernanforderungen der Fachbereiche nicht gefährden
  • Beendigungen von laufenden IT-Projekten dürfen die Leistungserbringung nicht gefährden
  • IT-Kostensenkungen dürfen nicht zu Prozesskostenerhöhungen auf der Anwenderseite führen
Die IT muss somit einen Spagat zwischen Kosteneinsparungen und digitalen Investitionen zur Effizienzrealisierung sowie Anpassung an derzeitige Gegebenheiten bewältigen. Die Meisterung dieses Balanceakts zwischen überlebenswichtigen IT-Kostenreduzierungen und notwendigen Investitionen in adäquate digitale Technologien wird die Gewinner der Krise von den Verlierern unterscheiden.

Projektbeispiel 1 – Professionalisierung Projektmanagement: Trotz Corona-Krise und laufender Restrukturierung investierte ein Automobilzulieferer ca. 1,4 Mio. EUR in ein Projektmanagement-System zur Digitalisierung von Workflows, Erhöhung der Transparenz über Projektkosten/-einnahmen und Sicherstellung einer übergreifenden Ressourcenplanung. Daraus resultieren Effizienzpotenziale in den Fachbereichen sowie im Projektmanagement und der Produkt-entwicklung von bis zu 15%.

Es ist notwendig, das Effizienzproblem durch eine wertorientierte Brille zu betrachten. In Zeiten angespannter Budgets muss auch die IT einen Beitrag zur Kostenreduktion leisten und kritisch die eigene Mittelverwendung hinterfragen. Darüber hinaus muss sie helfen, in die richtigen IT-Initiativen zu investieren, um die Kosten im Kerngeschäft auf Dauer zu drosseln und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu steigern:

  • Automatisierung und Digitalisierung von Geschäftsprozessen
  • Nutzung von Technologien zur Standardisierung von Prozessen und Reduzierung von Redundanzen im Kerngeschäft
  • Zielgerichtete Nutzung moderner Analytics-Lösungen

Projektbeispiel 2 – Prozessverbesserung durch ERP: Der IT-Vergleich zweier Gesellschaften (A und B) zeigte höhere IT-Kosten bei B. Eine detaillierte Analyse machte aber deutlich, dass bei B Rechnungsprüfungsprozesse durch ein gutes ERP weitaus besser unterstützt werden und dadurch wesentlich weniger FTE im Verhältnis zum Volumina in der Einkaufsabteilung benötigt werden – ein pauschaler Haircut der IT bei Unternehmen B wäre hier extrem kontraproduktiv.

Um die richtigen Investitionen, d.h. Quick-Wins sowie mittel-bis langfristige Wertreiber, zu identifizieren, benötigt es neben einer analytischen Betrachtung des Kerngeschäfts einen geschulten Blick für IT-Potenziale sowie die Fähigkeit, diese dem Business transparent zu machen.

Projektbeispiel 3 – Pragmatischer Zuschnitt IT-System: Anstelle einer Überführung des kompletten Einkaufs in die nächste ERP-Generation, fiel die Entscheidung für eine pragmatische Einführung einer P2P-Plattform für operative Prozesse und Schnittstellen zu den heterogenen ERP-Landschaften der einzelnen Länder. Die notwendige Transparenz wird über ein BI Reporting auf Basis des normalen Data Warehouse erreicht.

Dafür braucht es einen holistischen Blick auf Prozesse und Systeme gleichermaßen. Was einfach klingt ist in der Praxis allerdings eine Herausforderung, denn IT und Business sprechen oft nicht die gleiche Sprache. Hier kann ein strukturierter Ansatz helfen.

Projektbeispiel 4 – Investition in IT-Automatisierung: Der Kunde erzielt durch Nutzung domänenübergreifender Tools im Infrastruktur- und Applikationsbetrieb mehr Transparenz, schnellere Reaktionen und einen höheren Automatisierungsgrad. Payback wird in zwei Jahren erreicht.

Zusammenfassend ist es notwendig eine Balance zwischen klassischen IT-Kostensenkungen in geschäftsunkritischen Bereichen und erforderlichen Investments in wertstiftende digitale Initiativen zu wahren. In Corona-Zeiten natürlich mit besonderem Augenmaß.

2. Der BITE-Ansatz – schnell, wirkungsvoll, individuell

Der sprintbasierte BITE-Ansatz ermöglicht eine optimale Ausbalancierung aller Bereiche des IT-Budgets und sorgt für schnelle und tragfähige Ergebnisse, während er gleichzeitig potenzielle Hindernisse identifiziert.

In einer vorgelagerten Analysephase wird eine Long-List aus klassischen IT-Kostensenkungsmaßnahmen und wertorientierten digitalen Initiativen erstellt:

  • Identifikation von Investitionsmöglichkeiten in digitale Initiativen, die sich nicht nur auf die IT beschränken, sondern alle Geschäftsfunktionen berücksichtigen, durch Nutzung des RB Investment Radars (umfangreiche Übersicht an digitalen Lösungen, z.B. Automatisierung, Process Mining, Software-Entwicklungsoptimierung etc.) als Grundlage für die gemeinsame Verprobung mit den Fachbereichen und der IT in Workshops (Stream: IT-Investment)
  • Identifikation von Kostensenkungsmöglichkeiten in der IT durch Nutzung der RB Cost Cutting Toolbox mit effektiven Werkzeugen zur Kosteneinsparung, die im Rahmen von Workshops/Interviews mit der IT-Organisation an die jeweilige Situation angepasst werden (Stream: IT-Kostenreduktion)
  • Frühzeitige Prüfung der essenziellen Abhängigkeiten zwischen Geschäftsbereichen und IT inkl. Analyse der Risiken potenzieller Kostensenkungsmaßnahmen und Berücksichtigung regulatorischer und gesetzlicher Gegebenheiten

Nach Erstellung der Long-List an IT-Kostenreduktionsansätzen und digitalen Investments, erfolgt eine Bewertung der Initiativen anhand der BITE-Score-Card mit den Fachbereichen und der IT im Workshopformat:

  • Bewertung der Maßnahmen (Streams: IT-Investment & IT-Kostenreduktion) in ihren EBIT- oder Cashflow-Auswirkungen (z.B. unterschiedliche EBIT-Effekte bei Prozessautomatisierung vs. Einführung von Data Analytics Software)
  • Bewertung der Maßnahmen (Streams: IT-Investment & IT-Kostenreduktion) in ihrer Umsetzungsdauer (z.B. unterschiedliche Umsetzungsdauer bei Prozessdigitalisierung vs. Harmonisierung von IT-Systemen)
  • Zusätzlich Bewertung der Maßnahmen aus dem Stream IT-Kostenreduktion zu ihren EBIT- und Cashflow-Effekten in ihren geschäftskritischen Auswirkungen (z.B. erhöhte Prozess- oder Opportunitätskosten im Kerngeschäft durch Abbruch einzelner IT-Leistungen/Prozesse)
  • Priorisierung der Maßnahmen anhand des erhaltenen Scores und Erstellung einer Short-List an kurzfristigen IT-Kostensenkungsansätzen zur Verbesserung der Liquidität sowie mittelfristigen Investitionsmaßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

Nach gründlicher Analyse und Bewertung der identifizierten Kostensenkungshebel sowie digitalen Werttreiber beginnen die intensiven BITE-Sprints:

  • Parallele Detaillierung von Maßnahmen aus beiden Workstreams (IT-Investment & IT-Kostenreduktion) in meist zweiwöchigen Sprints
  • Detaillierung von Anforderungen, Erstellung von Implementierungsplänen mit Verantwortlichkeiten und Meilensteinen, Validierung der Investitionskosten und Einsparungspotenzialen sowie Erarbeitung von Erfolgsmessgrößen pro Maßnahme
  • Identifizierung und Implementierung von Pilotierungsprojekten

Nach Abchluss der BITE-Sprints folgt die Implementierungsphase, in der die Maßnahmen gemäß den definierten Umsetzungsplänen implementiert werden.

Das Ergebnis: Ein atmendes Portfolio aus Quick-Wins zur Verbesserung der Liquidität und werthaltigen Initiativen zur Wahrung einer anhaltenden Wettbewerbsfähigkeit.

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