Mehr Tempo bei der Dekarbonisierung

Mehr Tempo bei der Dekarbonisierung

12. September 2022

Sechs Bereiche, in denen Unternehmen ihre Emissionen zügig reduzieren können

Die Bedeutung von Unternehmen bei der Bekämpfung des Klimawandels lässt sich nicht kleinreden: Die CO2-Emissionen manch großer Industriekonglomerate entsprechen denjenigen ganzer Staaten. Auch wenn die Wirtschaft den Klimawandel als Handlungsfeld entdeckt hat, sind die derzeitigen Zielwerte für die Emissionsminderung wenig ambitioniert. Was hindert die Unternehmen daran, beherzter zu agieren? Wir untersuchen die größten Hürden und Herausforderungen für CO2-Reduktionspläne und identifizieren sechs Bereiche, in denen Unternehmen ihre Dekarbonisierung in den kommenden fünf Jahren spürbar beschleunigen und davon profitieren können. Ergänzend dazu nennen wir Tools und Lösungen für eine praxistaugliche Umsetzung.

Um die Zielvorgaben des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 2019 bis 2030 um 43 Prozent und bis 2040 um 84 Prozent verringert werden. Zu diesem Schluss kommt der Weltklimarat IPCC in seinem sechsten Sachstandsbericht. Angesichts dieser Fakten üben Regulierungsbehörden, Investoren und Verbraucher zunehmenden Druck auf die Wirtschaft aus, ihren Beitrag zu den weltweiten Dekarbonisierungsanstrengungen zu leisten. Dennoch haben sich bisher nur rund zehn bis 15 Prozent aller großen Unternehmen dazu verpflichtet, bis 2030 eine Emissionsminderung um 50 Prozent anzustreben. Mehr noch: Werden alle Zielwerte der größten börsennotierten Unternehmen in den wichtigsten Industriestaaten addiert, ergibt sich eine Verringerung des CO2-Ausstoßes von lediglich 20 Prozent bis 2030 – weit weniger als die erforderlichen 43 Prozent.

"Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, müssen die Unternehmen sehr viel konsequenter als bisher CO2 einsparen. Die kommenden fünf Jahre werden hier entscheidend sein."
Portrait of Yvonne Ruf
Senior Partner
Düsseldorf Office, Zentraleuropa

Die Wirtschaft muss ihre Anstrengungen also deutlich erhöhen, um das Pariser Klimaziel noch zu erreichen. Obwohl die resultierenden Herausforderungen von Branche zu Branche variieren, gelten manche Hürden für alle Beteiligten. Beispiele hierfür sind der begrenzte Zugang zu kohlenstoffarmer Energie, die mangelnde Reife mancher „sauberer“ Technologien, die extrem komplexen und bereits jetzt zum Zerreißen gespannten Lieferketten, Geschäftsmodelle, die allein auf immer mehr Produktion und Konsum setzen, eine Unternehmenskultur, die nur kurzfristige Finanzziele im Blick hat, und das übermäßige Vertrauen auf Konzepte zum Ausgleich von Emmissionen.

Sechs Bereiche mit dringendem Handlungsbedarf

Die Hürden, die Unternehmen bei ihrem Wettlauf zum Netto-Null-Ziel nehmen müssen, sind zwar hoch, aber nicht unüberwindbar. In den folgenden Abschnitten identifizieren wir sechs Bereiche, in denen sie aktiv werden können, um ihrer Dekarbonisierung innerhalb der kommenden fünf Jahre neuen Schwung zu verleihen und diesen entscheidenden Zeitraum effektiv zu nutzen. Dabei versteht sich von selbst, dass verschiedene Akteure in verschiedenen Branchen und Regionen vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Entsprechend unterschiedlich fällt auch ihre Fokussierung auf die Minderung von Scope-1-, Scope-2- oder Scope-3-Emissionen aus, ebenso wie die Tools und Lösungen für deren Realisierung.

#1 Energetische Dekarbonisierung

Reduzierung des Energieverbrauchs und konsequente Nutzung kohlenstoffarmer Energieträger (Scope 1 & 2)

In diesen Bereich fällt die Erkundung kohlenstoffarmer Alternativen zur herkömmlichen Energieversorgung. Entsprechende Energiequellen sind allerdings oft nur begrenzt verfügbar; auch sind die Unternehmen abhängig vom Dekarbonisierungsstatus des Landes, in dem sie aktiv sind. Trotz dieser Einschränkungen können Unternehmen das Ruder aber auch selbst in die Hand nehmen, indem sie ihren Verbrauch senken, auf verfügbare CO2-arme Energiequellen umsteigen oder den benötigten Strom selbst erzeugen. Der Roland Berger Energy Decarbonizer ist ein umfassender Werkzeugkasten, der alle Tools enthält, mit denen Unternehmen ihren Energieverbrauch reduzieren, klimafreundlich gestalten und dadurch einen echten Beitrag leisten können.

#2 Risikominderung für saubere Technologien

Schnellere Einführung von sauberen Technologien durch smarte Risikominderung (Scope 1 & 2)

Angesichts der Dringlichkeit einer Emissionsreduzierung verbietet es sich, abzuwarten und nichts zu tun, bis klimafreundliche Technologien kostengünstiger erhältlich sind oder ein perfekter Unterstützungsmechanismus für alle entwickelt wird. Risikominderung (De-Risking) bietet hier einen Ausweg, indem private Investitionen durch Beihilfen der öffentlichen Hand ergänzt werden, bis die wirtschaftliche Machbarkeit der entsprechenden Technologien gegeben ist. „Smarte Risikominderung“ beinhaltet die Identifizierung und Analyse diverser Unterstützungsmechanismen und Partnerschaftsoptionen, die dann miteinander kombiniert werden, um das Risiko eines Unternehmensprojekts zu verringern und Investitionen abzusichern. Das vierstufige Roland Berger-Verfahren für die Risikominderung leitet Unternehmen Schritt für Schritt durch diesen Prozess.

#3 Nachhaltigkeit in der Lieferkette

Weniger vorgelagerte Emissionen durch einen konstruktiven Dialog mit kritischen Lieferanten (Scope 3)

Der Großteil der bei OEMs anfallenden Emissionen ist der Kategorie 3 (Scope 3) zuzuordnen. In der Automobilindustrie und im Maschinenbau liegt dieser Wert in der Regel bei 90 bis 99 Prozent. Bis zu 40 Prozent der Gesamtemissionen entstehen durch Waren und Dienstleistungen, die von OEMs bezogen werden. Mit dem Roland Berger Supply Chain Decarbonizer können Unternehmen ihre vorgelagerten Scope-3-Emissionen reduzieren, indem sie gezielt den Dialog mit kritischen Lieferanten suchen. Mit einer Roadmap für Sofortmaßnahmen lassen sich greifbare Resultate erzielen, die den CO2-Fußabdruck verkleinern und zugleich Vorteile gegenüber dem Wettbewerb eröffnen.

#4 Produktdesign und Zirkularität

Bessere CO2-Bilanz von Produkten durch neue Ansätze bei Design und Materialmix (Scope 1, 2 & 3) bzw. zirkuläre Prozesse

Die Dekarbonisierung bestimmter Betriebsmittel oder Komponenten kann problematisch sein. Alternativ hierzu können Unternehmen das Design ihrer Produkte anpassen, indem sie z. B. den Materialmix ändern, um Materialien mit ähnlichen Eigenschaften, aber besserer CO2-Bilanz zu verwenden. Auch mit kleineren Abmessungen (insbesondere weniger Gewicht) oder einem längeren Lebenszyklus durch Wiederverwendung und Recycling lässt sich einiges erreichen. Grundsätzlich steht den Unternehmen ein ganzes Arsenal an Instrumenten zur Verfügung. Allerdings erfordert die Umstellung auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft oft eine grundlegende Neuorientierung von Geschäftsmodellen, Betriebsabläufen und Produktportfolios. Gerade weil solche Neuerungen eine gewisse Anlaufzeit benötigen, sollten sie eher heute als morgen angegangen werden.

#5 Organisation

Stärkung der Mitarbeiterkreativität durch eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmenskultur (Scope 1, 2 & 3)

Um möglichst schnell aktiven Klimaschutz zu betreiben, müssen die Unternehmen ihre gesamte Organisation auf ein nachhaltiges Fundament stellen. Dies bedeutet häufig eine komplette Neuausrichtung der Unternehmenskultur einschließlich der Abkehr von kurzfristigem Denken. Nachhaltigkeit muss in alle organisatorischen Ebenen und alle Geschäftsbereiche eingebettet werden; sie muss sich in den KPIs ebenso widerspiegeln wie in der Governance, den Kernkompetenzen und Vergütungssystemen. Für einen anhaltenden kulturellen Wandel müssen sich Unternehmen auf die Fähigkeit, Bereitwilligkeit und Bereitschaft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stützen können, sich gemeinsam auf die Reise in Richtung Nachhaltigkeit zu begeben. Begleitet wird diese Reise durch konsistente Richtlinien und aktive Unterstützung durch das Management.

#6 Digitalisierung beim Klimaschutz

Erfassung von Fortschritten und Optimierung des Dekarbonisierungsprozesses durch digitale Tools und KI (Scope 1, 2 & 3)

Zur Entwicklung eines wirksamen Emissionsreduktionsplans müssen die Unternehmen Daten erfassen, Komponenten entlang des gesamten Produktzyklus verfolgen, künftige Emissionen modellieren und den Effekt von Reduktionshebeln prognostizieren. Hierfür benötigen sie verlässliche, umfassende Daten sowie interoperable Systeme für die Speicherung und Nutzung dieser Daten. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich die Entwicklung einer „Digitialisierungsstrategie Klimaschutz“, in deren Zuge verschiedene, in bestehende Systeme integrierbare Instrumente evaluiert werden, um den Emissions-Fußabdruck zu ermitteln, Maßnahmen zu verfolgen, Prognosen vorzunehmen, Optimierungen durchzuführen und Lieferanten einzubinden.

Studie

Mehr Tempo bei der Dekarbonisierung

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Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, müssen die Unternehmen sehr viel konsequenter als bisher CO2 einsparen. Wir nennen sechs Bereiche für mehr Tempo bei der Dekarbonisierung.

Veröffentlicht September 2022. Vorhanden in
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