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Spitzengespräch zur ökonomischen Zeitenwende in Deutschland

Spitzengespräch zur ökonomischen Zeitenwende in Deutschland

27. Juli 2023

Unternehmen stehen vor einer Mega-Transformation

Für den diesjährigen Zukunftsreport „State of the Nation“ haben Bert Rürup und Sascha Haghani ein umfassendes Bild der ökonomische Zeitenwende in Deutschland skizziert und den daraus resultierenden Transformationsbedarf diskutiert. Der Handelsblatt-Chefökonom und langjährige Wirtschaftsweise sowie der Co-Leiter der globalen Restrukturierungs- und Performance-Sparte von Roland Berger waren sich einig, dass die Zeit des Rückenwinds für die deutsche Wirtschaft vorbei ist und es dringend struktureller Veränderungen bedarf. Weitere Themen des Spitzengesprächs waren das Pflichtenheft von Unternehmenslenkern in einem Umfeld multipler Krisen, den Wettlauf mit den USA und China um die Industrieführerschaft und notwendige Antworten auf den Fachkräftemangel.

Businessman standing in front of projection screen. Projector reflects a labyrinth to screen and businessman's back.
Zentrale Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Deglobalisierung und Dekarbonisierung stellen deutsche Unternehmen vor große Herausforderungen.
"Der Standort Deutschland und dessen exportorientiertes Geschäftsmodell stehen gehörig unter Druck."

Bert Rürup

Präsident Handelsblatt Research Institute

Wachstumsagenda – Deutsche Unternehmen müssen neue Wege finden, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen

Digitalisierung, Fachkräftemangel, das Ausbalancieren der globalen Wertschöpfung und die Dekarbonisierung der Unternehmensprozesse bezeichnet Sascha Haghani als die größten Herausforderungen der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahren. Er erwartet eine „Dekade der Transformation“, was für Unternehmen in vielen Fällen auf eine strategische und strukturelle Restrukturierung hinauslaufe. „Manch heute erfolgreiches Geschäftsmodell wird in zehn Jahren nicht mehr funktionieren, ganze Branche werden sich neu erfinden müssen“, sagt Haghani.

Auch der renommierte Ökonom und Berater Prof. Dr. Bert Rürup, der dem Handelsblatt Research Institute als Präsident vorsteht, spricht von einer Zäsur für die deutsche Volkswirtschaft: Sie erlebe derzeit gleichzeitig eine geopolitische Krise, eine konjunkturelle Krise und eine Wachstumskrise. Seine Prognose: „Spätestens kommendes Jahrzehnt wird reales Wachstum keine Selbstverständlichkeit mehr sein.“ Auch Rürup sieht die grüne Transformation als eine zentrale Zukunftsaufgabe. Er warnt allerdings vor einer einseitigen Fixierung auf die Reduktion von CO2-Emissionen: „Wichtiger wäre, sich darauf zu fokussieren, wie sich mit einem technologieoffenen Klimaschutz Geld verdienen lässt.“

Mit Blick auf geopolitische Entwicklungen sehen beide Experten besonders exportorientierte Industrieunternehmen aus Deutschland unter Druck. Diese geraten in die Zange, weil sich einerseits die Blockbildung zwischen den Großmächten USA und China verschärft und beide Länder den Aufbau und den Schutz starker eigener industrieller Kerne forcieren, indem sie vermehrt auf protektionistische Maßnahmen zurückgreifen. Anderseits leiden die hiesigen Industrieunternehmen unter den hohen Preisen bei Rohstoffen und Energie am Weltmarkt.

Ob und wie erfolgreich sich die deutschen Unternehmen in dieser Situation behaupten können, wird im Spitzengespräch durchaus unterschiedlich bewertet. Rürup geht davon aus, dass die Industrie ihre Erfolgsgeschichte aufgrund struktureller Probleme und neuer geopolitischer Gegebenheiten nicht unverändert fortschreiben kann: Man müsse sich „darauf einstellen, dass in diesem Land die besten Jahre der deutschen Industrie vorbei sind“. Haghani glaubt an ein Gegenhalten der Unternehmen. Damit gerade der deutsche Mittelstand weiterhin eine Stütze des Standorts sein könne, brauche es den Willen, die eigene Qualitätsführerschaft zu verteidigen – „durch stetige technologische Innovation, Digitalisierung, Automatisierung und Erweiterung des eigenen Produktportfolios“.

Kampf gegen Fachkräftemangel hat höchste Priorität

Die Tatsache, dass es immer schwieriger wird, qualifizierte Beschäftigte zu finden und im Betrieb zu halten, erfordert nach Einschätzung von Roland Berger Senior Partner Haghani ein konsequentes Umdenken in den Unternehmen: „Früher galt bei Restrukturierungs- und Leistungsverbesserungsprogrammen, dass ein Personalabbau von 20 bis 30 Prozent stets möglich sei. Inzwischen müssen die Unternehmen ihre Neuausrichtung von den Menschen her denken: Wie sichere ich Talente und Fähigkeiten für künftiges Wachstum?“

Der Wirtschaftswissenschaftler Rürup plädiert für eine konsequente qualifizierte Zuwanderung, die das Problem zwar nicht lösen, aber deutlich lindern könne. „Wir brauchten eigentlich immer qualifizierte Zuwanderung – und zwar schon seit Jahrzehnten, genauer, seit Beginn der Industrialisierung.“ Zudem schlägt er vor, das Potenzial derjenigen besser zu nutzen, die gerne länger arbeiten wollen und können, etwa durch steuerliche Anreize.

Lesen Sie das komplette Interview in unserem Zukunftsreport „State of the Nation“ mit dem Titel: „Erfolgsfaktor Transformation – Deutschland in der Zeitenwende“.

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State of the Nation 2023
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