Wie die Behörde der Zukunft aussehen kann

Von Ina Wietheger

Deutschland hinkt international im Bereich fortschrittliche und moderne Verwaltung – Stichworte Digitalisierung und Bürokratierückbau – hinterher. Aktuelle Studien liefern der Diskussion ständig neue Nahrung, wie der kürzlich veröffentlichte Bitkom Digital Economy & Society Index (DESI) 2025, in dem sich Deutschland im Bereich der „digitalen Verwaltung“ auf Platz 21 aller EU-Mitgliedstaaten wiederfindet

All das ist hinlänglich bekannt.

Die gute Nachricht ist: Die Bereitschaft, etwas zu ändern, ist da. Die Motivation auch. Die digitale Transformation und moderne Arbeitsweisen machen den Wandel möglich. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Neuausrichtung waren vielleicht nie besser als heute. Deswegen gilt es, jetzt die Chance zu ergreifen. Beispiele wie das Dashboard Digitale Verwaltung oder das Cloud-basierte Gebäudemanagement der Bundeswehr – um nur zwei herauszugreifen – zeigen, dass eine umfassende Neuausrichtung nicht nur möglich, sondern von den Beschäftigten durchaus gewünscht ist und in Teilen auch schon gelebt wird.

Künstliche Intelligenz erschließt zusätzliche Potenziale. Wir gehen beispielsweise davon aus, dass allein im öffentlichen Sektor in Deutschland knapp 40 Prozent aller Arbeiten von GenAI beeinflusst werden – entweder können diese automatisiert oder deutlich erleichtert bzw. effizienter gestaltet werden.

Doch wie muss die Behörde der Zukunft aussehen? Welches Selbst- und Rollenverständnis sollte sie prägen? Und wie kann sie ihre Leistungen zukunftsfähig ausrichten?

Entlang von acht wesentlichen Eigenschaften haben wir im Folgenden die Behörde der Zukunft skizziert. Best Practice-Beispiele vermitteln einen zusätzlichen einen Eindruck davon, wie andere Länder verschiedene Themen angegangen sind – und wie erfolgreich sie sie umgesetzt haben.

Serviceorientiert. Proaktiv. Smart: Unser Zielbild der Behörde der Zukunft

Nach unserer Überzeugung wird die Behörde der Zukunft durch sich gegenseitig beeinflussende Eigenschaften charakterisiert.

Für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen bietet sie:

Erreichbarkeit – Anfragen können 24/7 gestellt werden. Diese werden, wo möglich, im persönlichen Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen bearbeitet.

Verständlichkeit – Texte werden leicht verständlich in Alltagssprache formuliert.

Schnelligkeit – Anliegen werden zeitnah erledigt, z.B. innerhalb von zwei Tagen. Außerdem geht die Behörde proaktiv auf Bürgerinnen und Bürger zu, etwa, wenn der Personalausweis bald abläuft.

Transparenz – Bürgerinnen und Bürger wissen, über welche Daten die Behörde verfügt, und können den Bearbeitungsstand ihrer Anliegen jederzeit einsehen, z.B. Status der Bewilligung bzw. Freigabe des Kindergeldes.

Intern arbeitet die Behörde smart, was sich unter anderen an folgenden Eigenschaften bemerkbar macht:

schnelles und proaktives Handeln, denn die Behörde kann auch auf Unvorhergesehenes angemessen schnell reagieren, indem sie auf vorab geplante und trainierte Szenarien zurückgreift, Personalpools nutzt und Daten KI-gestützt „live“ ausgewertet; sie agiert stets proaktiv

digital und kollaborativ, weil die Behörde über abteilungs- und organisationale Grenzen hinweg arbeitet. Statt Hierarchien entscheiden die Inhalte, Mensch und Maschine arbeiten zusammen, z.B. in der Kombination Fachkraft-KI-Agent – also autonome KI-Programme, die wahrnehmen, entscheiden und handeln, um bestimmte Ziele zu erreichen.

effizient, weil sie schnell, präzise, ressourcenschonend und verlässlich arbeitet, unterstützt durch stark automatisierte Vorgänge wie digitale Ende-zu-Ende Prozesse. Dabei bleibt der Mensch stets die letzte Instanz, wird für klar definierte Aufgaben aber durch KI-Agents unterstützt und entlastet.

attraktiv. Die öffentliche Verwaltung begeistert Talente durch abwechslungsreichere und nutzenstiftende Tätigkeiten. Digitale Lösungen erleichtern die Arbeit und erweitern das Jobprofil. Relevante Stichworte sind in diesem Zusammenhang beispielsweise KI-gestützte, individuelle Weiterbildungsformate; flexibles, hybrides und digitales Arbeiten (z.B. Gleitzeit, Sabbaticals, Homeoffice); Diversität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Work-Life Balance).

Moderne Verwaltung in der Praxis: Best Practices

Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass einige der oben genannten Merkmale bereits erfolgreich umgesetzt wurden.

Merkmal Transparenz und Fokus Relevanz: Auch in Taiwan sind die Erfolge der digitalen Konsensbildung gut dokumentiert. So hat Taiwans vTaiwan-Plattform seit 2015 mehr als 200.000 Teilnehmer in offene Politikgestaltung eingebunden. Über die Plattform können Bürgerinnen und Bürger an für sie relevanten Umfragen teilnehmen, beispielsweise zum Thema Datenschutz, oder Abstimmungen live verfolgen. Von 28 eingebrachten Fällen führten 80 Prozent zu konkreten Regierungsmaßnahmen und 26 Gesetzen in fünf Jahren.

Merkmal digital und kollaborativ: Wie kollaboratives Verwaltungshandeln in der Praxis aussehen kann, zeigt das „Virtual Singapore“-Projekt. Dabei handelt es sich um das weltweit erste nationale Digital Twin-Projekt. Das System erfasst über 50 Terabyte Daten und bildet das gesamte Land mit einer Genauigkeit von 0,3 Metern ab. Dafür wurden unter anderem mehr als 5.500 Kilometer Straßennetz mit fahrzeugbasierten Laserscannern erfasst und mehr als drei Millionen Bilder gesammelt. Der Erfolg: Durch das Projekt konnten die Ausgaben für nationale Kartierung von 35 Millionen auf 6 Millionen Singapur-Dollar reduziert werden, die Bearbeitungszeit sank von zwei Jahren auf acht Monate. Stadtplaner können mithilfe des digitalen Zwillings Infrastrukturprojekte simulieren, Überschwemmungsrisiken bewerten und Verkehrsflüsse optimieren, bevor kostenintensive und weitreichende politische Entscheidungen getroffen werden.