Dialogreihe „Future of HR“ – Interview mit Gregor Karolus, CHRO und Maria Castresana, CPO bei SpringerNature

Dialogreihe „Future of HR“ – Interview mit Gregor Karolus, CHRO und Maria Castresana, CPO bei SpringerNature

14. Mai 2025

Transformation bei Springer Nature – wie die HR-Funktion zum erfolgreichen Börsengang beiträgt

Maria Castresana ist seit November 2024 Chief People Officer (CPO) bei Springer Nature. Sie bringt mehr als 25 Jahre internationale Erfahrung im Personalwesen mit. Nach Studienabschlüssen in Jura, Betriebswirtschaft und Personalmanagement hat sie sowohl in börsennotierten als auch in familiengeführten Unternehmen der Chemie-, Pharma- und Biotech-Industrie gearbeitet. Zuvor lag die Führung des HR-Ressorts bei Gregor Karolus, der insgesamt 27 Jahre lang bei Springer Nature und Vorgängerunternehmen tätig war. Er begann seine Karriere im Forschungsmanagement beim Helmholtz Zentrum München und übernahm anschließend führende HR-Positionen bei Bertelsmann und später BertelsmannSpringer. Karolus hat den Börsengang (IPO) von Springer Nature im Oktober 2024 auf HR-Seite wesentlich vorangetrieben. Da dieser „Future of HR“-Dialog unter anderem die Frage beleuchten soll, welche Wechselwirkung Börsengang und Personalthemen haben, treffen wir mit Maria Castresana und Gregor Karolus zwei ausgewiesene Experten.

Maria Castresana
Maria Castresana

Mit mehr als 9.000 Mitarbeitenden in über 40 Ländern und einem Umsatz von mehr als 1,8 Milliarden Euro zählt Springer Nature zu den weltweit führenden Forschungs- und Fachverlagen. Das Unternehmen setzt sich global für die Förderung von Wissenschaft und Innovation ein und hat mit dem erfolgreichen Börsengang im Oktober 2024 seine Position als einer der Marktführer weiter gestärkt.

Fabian Huhle: Frau Castresana, Herr Karolus, gemeinsam verfügen Sie über mehr als 50 Jahre HR-Erfahrung. Wie hat sich die Rolle der Personalfunktion über die Jahrzehnte verändert?

Gregor Karolus: Ich habe in meinen 30 Jahren im HR-Bereich zwei wesentliche Phasen wahrgenommen: Zu Beginn war die Rolle des Personalbereichs stark administrativ und rechtlich geprägt. HR war damals kaum in die strategische Unternehmensführung eingebunden und das Aufgabenfeld Personalentwicklung war noch unterentwickelt oder existierte nur als Hobby. In einer späteren Phase – während meiner Zeit bei Bertelsmann und Springer Nature – entwickelte sich der Personalbereich schrittweise zu einer zentralen, integrierenden Funktion, die über alle Geschäftsbereiche hinweg wirkt und die Unternehmens- und Talentstrategien miteinander vereint.

Gregor Karolus
Gregor Karolus

Maria Castresana: Das kann ich bestätigen. Früher ging es in erster Linie um die rechtliche Absicherung und Prozessstabilität bei Personalentscheidungen. Inzwischen geht es längst um weit mehr. Themen wie Organisationskultur und Leadership sind auf der Agenda weiter nach oben gerückt. Auch bei Zu- und Verkäufen oder Technologieumstellungen, wie derzeit bei KI, ist die HR-Abteilung gefordert: Sie muss die Akzeptanz von Veränderungsprozessen erhöhen und positiv auf die Performance einwirken, sei es durch Change Management oder eine bessere Organisation mit optimierten Strukturen und Prozessen.

"Die HR-Abteilung muss die Akzeptanz von Veränderungsprozessen erhöhen und positiv auf die Performance einwirken, sei es durch Change Management oder eine bessere Organisation mit optimierten Strukturen und Prozessen."

Maria Castresana

CPO
SpringerNature

Constanze Schweinsteiger: Wie sollte die HR-Funktion aus Ihrer Sicht in das Business eines Unternehmens integriert werden?

Gregor Karolus: Meines Erachtens ist HR in erfolgreichen Unternehmen ein wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie. HR ist keine reine Querschnitts- oder Verwaltungsfunktion, sondern eine integrale Funktion. Besonders in einem Unternehmen wie Springer Nature, dessen Wert primär in seinen Mitarbeitenden liegt, ist HR ein natürlicher Teil des Top-Managements. Ist das nicht der Fall, hat die wichtigste Ressource des Unternehmens keinen angemessenen Fokus und ist nicht im Führungsteam vertreten.

Maria Castresana: Als Teil der Geschäftsführung kann HR eine große Wirkung entfalten. Dazu gehört auch, die verschiedenen Interessen im Unternehmen auszubalancieren – stets mit dem Ziel, dass die Organisation hervorragende Leistungen erbringt und optimal auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet wird. Heute, aber auch in Zukunft, werden daher vor allem Kompetenzen wie Konfliktlösung, Stakeholder-Management und nachhaltige Lösungsfindung in HR gefragt sein.

Constanze Schweinsteiger: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass die HR-Funktion bei Springer Nature so stark eingebunden ist, während sie in vielen anderen Unternehmen weniger involviert ist?

Gregor Karolus: Ich denke, das hat zwei Ursachen: Zum einen sind wir eine menschenzentrierte und internationale Wissenschafts- und Bildungsgemeinschaft. Zum anderen sind wir durch Transformation gewachsen – und das gelingt nur, wenn die notwendigen Ressourcen dafür bereitstehen. Alle CEOs hatten also von Anfang an großes Interesse, der HR-Funktion und ihrem Chief Human Resources Officer (CHRO) den nötigen Freiraum zu lassen, um erfolgreiche Personalarbeit leisten zu können. In anderen Unternehmen fehlt ein solcher Blick auf die Dinge häufig. Die HR-Funktion wird darauf reduziert, nur indirekt zum Unternehmenserfolg beizutragen, indem sie etwa Konflikte mit Betriebsrat oder Personal löst und vom Management fernhält, restrukturiert und administriert. In einer derart passiven Rolle gibt es kaum die Gelegenheit, Organisations- und Mitarbeiterthemen in der Strategie ganzheitlich zu betrachten.

Fabian Huhle: Welchen Anspruch sollte die Geschäftsführung an ihre HR-Abteilung formulieren, damit diese ihr Potenzial voll entfalten kann?

Maria Castresana: Der CEO hat mit dem Finanzbereich und HR zwei Funktionen, die maßgebend sind für die Steuerung des Unternehmens. Beide blicken ganzheitlich auf das Unternehmen. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, müssen die finanzielle und menschliche Perspektive zusammengeführt werden. Diese Verantwortung liegt vor allem beim CEO. Er entscheidet über Strukturen und Abläufe im Unternehmen, wie etwa den Strategieprozess und die Zusammenarbeit im Executive Team.

Fabian Huhle: Seit Oktober 2024 ist Springer Nature an der Börse gelistet. Welche Rolle spielte die HR-Funktion bei diesem Börsengang? Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?

Gregor Karolus: Neben der Organisationsentwicklung hat HR auch eine zentrale Rolle in der Gestaltung der Unternehmenskultur. Im Rahmen eines Börsengangs verändern sich Kommunikationsverhalten, Informationsweitergabe und die Anforderungen an Vertraulichkeit. Gleichzeitig steigt der Kommunikationsbedarf, weil unter den Mitarbeitenden Angst und Unsicherheit aufkommen können, ob beispielsweise Ausgliederungen von Geschäftsbereichen bevorstehen. In so großen Veränderungsprozessen ist es wichtig, transparent zu kommunizieren, klare Entscheidungen zu treffen und so das Vertrauen zu stärken. Unsere frühzeitige Ausrichtung und die sehr enge Zusammenarbeit von CEO, CFO, HR und Kommunikationsbereich haben dazu beigetragen, den Prozess weitestgehend reibungslos zu gestalten.

Constanze Schweinsteiger: Welche Auswirkungen hatte der Börsengang auf das Employer Branding in Ihrem Unternehmen?

Maria Castresana: Der IPO-Prozess bietet eine große Chance – nicht nur für HR, sondern für das gesamte Unternehmen: Durch den Börsengang wird die Außenperspektive von Investoren in das Unternehmen hineingetragen. Das kann wertvolle Impulse setzen. Zudem stärkt der Börsengang unsere Unternehmensmarke, weil die stärkere externe Aufmerksamkeit das Unternehmen für Talente sichtbarer macht.

Gregor Karolus: Wir haben den Börsengang auch dazu genutzt, unser Arbeitgeber-Image weiter zu schärfen. Weil wir ein sehr diverses Unternehmen mit Mitarbeitenden aus mehr als 40 verschiedenen Ländern und vielen unterschiedlichen Berufen sind, lautet neben „be part of progress“ eines unserer zentralen Versprechen: „be yourself“. Gemeinsam mit der Kommunikationsabteilung haben wir ein Netzwerk von Markenbotschaftern aufgebaut, die intern und extern authentisch vermitteln, wie es ist, bei uns zu arbeiten. Vor allem über die Themen Kultur und Menschen können wir uns langfristig im börsennotierten Umfeld von anderen Unternehmen abheben.

"Über die Themen Kultur und Menschen können wir uns langfristig im börsennotierten Umfeld von anderen Unternehmen abheben. Unser Netzwerk an Markenbotschaftern hilft uns, dies authentisch nach außen zu tragen."

Gregor Karolus

CHRO
SpringerNature

Fabian Huhle: Auf welche Maßnahmen setzen Sie, um die Unternehmenskultur und den Umgang mit Mitarbeitenden zu gestalten?

Gregor Karolus: Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet. So haben wir als Basis sehr früh eine interne Social-Media-Plattform entwickelt und live geschaltet, damit die Mitarbeitenden offen und persönlich miteinander diskutieren können. Auch kulturelle Elemente wie Mitarbeiterbefragungen und langjährig etablierte Events wie unser jährliches Innovationsturnier leisten einen Beitrag und werden kontinuierlich durchgeführt. Zudem haben wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen unsere Kultur- und Führungswerte überarbeitet, sodass sich alle darin wiederfinden können und wir eine gemeinsame Orientierung haben. Das Employer Branding muss authentisch sein, sonst ist es wertlos. Die Kernbotschaft des CEOs in diesem Zusammenhang war stets, dass der Fokus weiterhin auf der Qualität der Forschung, unseren Kunden und auf ethischem Handeln liegen soll. Der Börsengang hat unsere Wertvorstellung und strategische Ausrichtung also nicht verändert.

Constanze Schweinsteiger: Das heißt, den IPO sehen Sie nicht als strategischen Meilenstein?

Maria Castresana: Doch, natürlich war der Börsengang ein wichtiger Schritt in unserer Unternehmensgeschichte. Es gibt aber noch viele weitere strategische Themen, die nach wie vor enorm wichtig sind. Zum Beispiel, dass wir immer mehr Forschung frei verfügbar machen. Das Stichwort lautet Open Access. Und wir entwickeln technologische Lösungen, um noch schneller qualitativ hochwertige wissenschaftliche Artikel publizieren zu können. Beides ist enorm wichtig, um die Probleme unserer Welt schneller lösen zu können.

Fabian Huhle: Sie haben jetzt erneut das Thema Purpose angesprochen. Welche Rolle spielt die HR-Abteilung bei der Gestaltung einer sinngebenden Unternehmenskultur?

Gregor Karolus: Das Management und die HR-Funktion können keine Kultur vorschreiben, aber sie können versuchen, diese zu fördern. Dafür ist es wichtig, den Dialog mit dem Managementteam zu führen. Dabei sollte etwa die Fragen geklärt werden, welche Kultur wir vorleben wollen oder wie wir diese Kultur bewahren und weiterentwickeln können. Die Kultur wird auch maßgeblich durch die Werte und Prinzipien geprägt, nach denen wir führen – im besten wie im schlechtesten Fall.

Maria Castresana: Kultur und Führungskultur sind für mich eng miteinander verbunden. HR kann durch die Auswahl und Unterstützung von Führungskräften sowie in einer moderierenden Rolle in Strategie und Veränderungsprozessen einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der Unternehmenskultur leisten.

Constanze Schweinsteiger: Die Unternehmenskultur wird durch die Personalabteilung geformt, indem der kulturelle Fit im Einstellungsprozess berücksichtigt wird. So können beispielsweise Werte und Erwartungen bei Kandidaten abgefragt werden. Wie wichtig ist es Ihnen, Wertvorstellungen als kulturprägendes Element im Auswahlverfahren zu überprüfen?

Gregor Karolus: Einerseits müssen grundlegende Werte wie Transparenz und Ethik vorhanden sein und übereinstimmen, um die Unternehmenskultur zu bewahren. Andererseits ist es wichtig, neue Perspektiven aus verschiedenen Ausbildungswegen, Ländern und Communities zu integrieren – also kurz gesagt: werteorientiert und performancebewusst, aber gleichzeitig auch divers zu rekrutieren. Die HR-Abteilung muss eine gute Balance zwischen Bewahrung und Innovation finden. Veränderungsbereitschaft macht uns stark und wappnet das Unternehmen für die Zukunft.

Constanze Schweinsteiger / Fabian Huhle: Herzlichen Dank für das Interview.

Newsletter abonnieren

Dialogreihe "Future of HR"
Mehr
Das könnte Sie auch interessieren
Portrait of Constanze Schweinsteiger
Partner, Supervisory Board Member
Berlin Office, Zentraleuropa