Roland Berger ist Vordenker für Umweltthemen und deren Folgen für die Wirtschaft. Unsere Publikationen befassen sich mit allen Aspekten dieses Themenkomplexes.
Energiespeicher: einsatzreif und lukrativ
Von Wolfgang Bernhart und Dan Gabaldon
Die Technologien zur Speicherung von Strom entwickeln sich ständig weiter – genau wie die damit verbundenen Geschäftsmodelle
Die Energiespeicherung steht vor einem rasanten Wachstumsschub. Dieser wird einerseits befeuert durch den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, deren Volatilität Stromspeicher nötig macht, und andererseits durch die rasch sinkenden Kosten für Speichertechnologien. Doch während Projektentwickler, Energiekonzerne, Zulieferer und Investoren darüber nachdenken, wie sie aus der Energiespeicherung ein Geschäft machen können, gibt es nach wie vor ein paar grundlegende offene Fragen: Wird sich eine Technologie durchsetzen und wenn ja, welche? Oder werden sich, je nach Anwendung, verschiedene Technologien etablieren? Wie wird die Regulierung den Markt und seine Entwicklung beeinflussen? Welche Anwendungen und Geschäftsmodelle werden am effektivsten und profitabelsten sein?
Unverzichtbar für die Dekarbonisierung
In den vergangenen Jahren sind die Preise für Solar- und Windenergie stark gefallen; die erneuerbaren Energien verdrängen rasch die fossile Stromerzeugung. Damit rückt das Thema Versorgungssicherheit in den Blick, genauso wie die zunehmend schwankenden – teilweise sogar negativen – Börsenstrompreise. Die Leistung der erneuerbaren Energien ist naturgemäß volatil und nur begrenzt vorhersehbar. Dies in Kombination mit der ebenfalls schwankenden Nachfrage verlangt nach Energiespeichern (dazu gehören Batterien, aber auch mechanische und thermische Speichertechnologien), die als Puffer die Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage im Stromnetz ausgleichen. Besonders Batterien gelten in diesem Zusammenhang zunehmend als sichere, saubere, einfache und kostengünstige Möglichkeit, CO2-freien Strom in das Versorgungsnetz zu integrieren.
Die rasante Entwicklung bei den Speichertechnologien erhält zusätzlich Schub durch einen anderen aktuellen Trend: Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors verknüpft diesen zunehmend mit dem Stromsektor. Das hat unterschiedliche Auswirkungen: Zum einen steigert die wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen die Nachfrage nach preisgünstigen Batterien mit hoher Energiedichte. Daraus ergeben sich Skalen- und Lerneffekte mit entsprechenden Fortschritten bei Kosten und Leistungsfähigkeit der Technologie, die bereits zu dramatisch sinkenden Preisen geführt haben. Das wiederum treibt das Wachstum im Bereich der Energiespeicherung voran.
Zum anderen bedeuten mehr Elektrofahrzeuge eine steigende Stromnachfrage bei punktuell hohem Bedarf an Ladeleistung, dessen zeitliche und räumliche Verteilung sich kaum vorhersehen lässt. Stromspeicherung – einschließlich der netzdienlichen Einbindung der Fahrzeugbatterien in das Netz (Vehicle-to-Grid-Charging) – kann dieses Lastwachstum zumindest teilweise auffangen und bietet so eine kostengünstige Alternative zur Aufrüstung des gesamten Stromnetzes. Zudem laufen bereits Pilotprojekte zur Weiternutzung ausgedienter Fahrzeugbatterien als Pufferspeicher im Netz, um ihre Wertschöpfung zu erhöhen und ihre Umweltauswirkungen zu verringern.
Technologische Fortschritte
Die enormen Kostensenkungen bei Stromspeichersystemen ergeben sich zum einen aus den erwähnten Skaleneffekten durch den Hochlauf der Elektromobilität, zum anderen aus Fortschritten bei den zugrundeliegenden Technologien. Dazu zählen unter anderem eine gestiegene Energiedichte (Energie pro Volumen bzw. Gewicht), eine gesunkene Abhängigkeit von knappen Rohstoffen, eine längere Lebensdauer (Zahl der Ladezyklen und Gesamtbetriebsdauer), eine höhere Betriebssicherheit (Brandschutz) sowie verbesserte Recyclingraten bei den verwendeten Materialien.
Mit den neuesten Entwicklungen bei LFP-Akkus (LFP = Lithium-Eisen-Phosphat) ist auch eine kostengünstige Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien gefunden. Im Vergleich zu anderen Technologien wie den NMC-Akkus (NMC = Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan-Oxid) ist die LFP-Technologie weniger von hochpreisigen Rohstoffen abhängig und bietet zumindest teilweise eine Antwort auf Sicherheitsbedenken, die durch jüngste Vorfälle in Korea und den USA entstanden sind.
Weitere Innovationen sind im Gange: So sorgt die Nachfrage der Automobilindustrie nach Akkus mit höherer Energiedichte für einen Schub in Richtung Festkörperbatterien, was wiederum zu weiteren Fortschritten bei Kosten und Leistung führt. Zudem sorgen Bedenken in Bezug auf Rohstoffrisiken für Innovationen bei Produkten und Lieferketten. Gleichzeitig bringen spezifische Vorgaben der Energieversorger auch Dynamik in das Thema Langzeitspeicherung, z. B. mithilfe von Flüssigbatterien.
Neue Geschäftsmodelle
Wie die Technologie entwickeln sich auch die damit verbundenen Regulierungssysteme und Geschäftsmodelle weiter. So sehen weltweit immer mehr Regierungen die Energiespeicherung als unverzichtbares Werkzeug zur kostengünstigen Integration der Erneuerbaren in die Stromnetze. Diese regulatorische Aufgeschlossenheit schlägt sich am Großhandelsmarkt für Energieprodukte nieder: Zum einen nutzen Marktteilnehmer die schnelle Reaktionsfähigkeit und die Flexibilität von Stromspeichern für neue innovative Produktangebote; zum anderen steigt die Bereitschaft, beim Kunden installierte Speicher für die Teilnahme am Großhandel zuzulassen.
Bei den Geschäftsmodellen sind die Veränderungen sogar noch umfassender. Mit Ausnahme einiger großer Anbieter, die Innovationen am Kapitalmarkt (z. B. SPACs) nutzen, zeigt sich ein Trend hin zu einer vertikalen und horizontalen Konsolidierung der Akteure. Vor allem die Rolle der Integratoren dürfte sich verändern, da die Technologie immer mehr standardisiert wird und Großkunden und Entwickler zunehmend eigene, firmeninterne Fähigkeiten und Lösungen aufbauen.
Mit den beschriebenen Entwicklungen und Trends stellen sich für Marktteilnehmer eine Reihe grundlegender Fragen:
- Ist Energiespeicherung tatsächlich ein eigener Geschäftszweig oder einfach nur ein weiteres Produkt aus dem Werkzeugkasten von Kraftwerksentwicklern, Energiehändlern, Netzbetreibern und Anbietern von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität?
- Werden Anwendungen „hinter dem Zähler“, also beim Energiekunden, z.B. Lastmanagement oder Resilienz-Szenarien, wirtschaftlich rentabel sein?
- Welche Technologie wird mittelfristig die Lösung für die Volatilität der erneuerbaren Stromerzeugung bereitstellen: Lithium-Ionen-Batterien oder andere elektro-chemische Speicher? Thermische oder mechanische Systeme? Eine wasserstoffbasierte Lösung?
- Welche Länder, Regionen und Anwendungen bieten die besten Chancen für Investitionen?
- Welche Geschäftsmodelle sind wirtschaftlich tragfähig und wer sind die richtigen Partner für die Umsetzung?
Die Antworten auf diese Fragen sind entscheidend für den künftigen Weg der Energiebranche im Allgemeinen und des Speichersektors im Speziellen. Roland Berger analysiert laufend die Entwicklung von Technologie, Markt und Wettbewerb im Bereich Energiespeicherung und sammelt Erkenntnisse darüber, wie die Automobil- und Energiebranche mit Politik und Regulationsbehörden interagieren. Damit helfen wir allen Beteiligten, sich in diesem schnell wachsenden Industriezweig zurechtzufinden.