Think:Act “Kunst und Wirtschaft“
Marin Alsop über Musiker und gute Führung
Think:Act Magazine
Die Dirigentin Marin Alsop zur Bedeutung von Zeitmanagement und Selbstmotivation bei Musiker
Im Alter von neun Jahren beschloss Marin Alsop, Dirigentin zu werden. Ein Berufsweg, der Frauen lange Zeit verwehrt blieb. Seit sie als erste weibliche Musikdirektorin eines großen US-Orchesters reüssierte, setzt sie sich für Frauen in Führungspositionen ein.
Sie wurden 2005 zur ersten weiblichen Musikdirektorin des Baltimore Symphony Orchestra ernannt. Das stieß damals auf viel Ablehnung. Warum gibt es selbst heute so wenige Dirigentinnen an der Spitze großer Orchester?
Marin Alsop ist Chefdirigentin des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien. 1984 gründete sie ihr eigenes Orchester in New York, 2002 folgte das Taki Alsop Conducting Fellowship zur Förderung von Dirigentinnen.
Ich denke, das hat etwas mit einer zögerlichen Haltung der Gesellschaft zu tun. Es gibt zum Beispiel noch immer keine einzige US-Präsidentin. Im 21. Jahrhundert erleben wir nach wie vor zu viele Premieren von Frauen in Führungspositionen. Meines Erachtens steckt geistige Trägheit dahinter. Wir müssen uns als Gesellschaft einfach daran gewöhnen, mehr Frauen in Führungsverantwortung zu sehen. Dann wird es weniger bedrohlich oder einschüchternd.
Dirigenten müssen Teams mit Dutzenden starken, kreativen Persönlichkeiten leiten. Wie gelingt Ihnen das?
Jeder, der mit besonders fähigen und talentierten Leuten zusammenarbeitet, muss ein Gleichgewicht finden – zwischen Autorität und Verantwortlichkeit, zwischen höchstem Respekt und empathischem Zuhören. Ich folge keinen strikten Regeln. Oft lasse ich mich von Musikern inspirieren; sie bringen Ideen mit, an denen wir gemeinsam arbeiten. Gute Führungspersönlichkeiten müssen zuhören und ihre Mitarbeiter respektieren. Und: Man sollte Humor haben und über sich selbstlachen können.
Sie haben Musiker als ideal vorbereitet für das 21. Jahrhundert bezeichnet, weil sie über wichtige Fähigkeiten verfügen. Welche sind das?
Wir brauchen kreative Denker, Menschen, die Probleme lösen. Das können Musiker. Sie motivieren sich selbst, proben jeden Tag. Sie können sich gut einschätzen und sind selbstkritisch. Musiker können ihre Zeit selbst einteilen, und sie haben gelernt, anderen zuzuhören. Schließlich wissen sie, wann sie nach vorne treten sollten und wann sie sich zurücknehmen müssen. Für eine gute Zusammenarbeit in einem Team ist das unerlässlich. Musiker sind außerdem Experten für spontane Lösungen. Irgendeine Katastrophe passiert immer, aber die Show muss ja weitergehen. Deshalb sind Musiker aus meiner Sicht die idealen Führungskräfte.