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ÖPNV kann durch neue Technologien deutlich rentabler werden

ÖPNV kann durch neue Technologien deutlich rentabler werden

Portrait of Tobias Schönberg
Senior Partner
Dubai Office, Mittlerer Osten
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15. April 2019

Sieben Ansätze für den öffentlichen Nahverkehr

Mit neuen Technologien kann der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) deutlich rentabler werden. In Metropolen könnte der Betrieb sogar Gewinne erzielen. Verkehrsbetriebe, aber auch die Politik sowie Hersteller und Anbieter von Mobilitätslösungen sollten umdenken und gemeinsam ein ganzheitliches System aus öffentlichen Verkehrsmitteln aufbauen.

"Neue Technologien bieten den ÖPNV-Betreibern große Chancen, ihre Effizienz und damit den Kostendeckungsgrad zu steigern."
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Bisher gilt der ÖPNV in Deutschland als Zuschussgeschäft: Mit mehr als 3 Milliarden Euro pro Jahr unterstützt die öffentliche Hand die Betreiber, die im Durchschnitt nur 76 Prozent ihrer Kosten aus eigenen Einnahmen decken können. Doch durch den konsequenten Einsatz innovativer Technologien könnten städtische Verkehrsbetriebe bald deutlich rentabler werden: Je nach Größe der Stadt kann der Kostendeckungsgrad des ÖPNV um 10 bis mehr als 30 Prozentpunkte steigen – damit könnten Betreiber in Metropolen sogar in die Gewinnzone kommen und im Schnitt bis zu 390 Millionen Euro pro Jahr sparen.

Die Möglichkeiten reichen von Automatisierung und Elektrifizierung der Fahrzeugflotte über den Einsatz von Robo-Shuttles und Ride-Pooling bis hin zur Nutzung von Echtzeitdaten, etwa zur Reparatur- und Wartungsplanung. Nicht alle diese Technologien sind schon einsatz- und marktreif, doch die Entwicklung geht sehr schnell und ÖPNV-Betreiber sollten jetzt aktiv werden, um die erheblichen Chancen zu nutzen, die sich daraus ergeben.

Sieben Ansätze zur Kostensenkung

Zahlreiche Maßnahmen bieten sich an, um mehr Effizienz im ÖPNV-Betrieb zu erreichen. Sieben Ansätze sind dabei zentral:

Nutzung von Echtzeitdaten

Erfassung von Daten durch die Fahrzeuge und deren Analyse durch den Betreiber. Dazu gehören technische Informationen, die für "Predictive Maintenance" genutzt werden, um Reparaturen zu vermeiden und Wartungsintervalle und die Beschaffung neuer Fahrzeuge optimal zu planen. Andererseits können auch Daten zur Fahrt ausgewertet werden, beispielsweise die Zahl der Passagiere oder Informationen zu Verzögerungen auf der Strecke. Damit lassen sich Fahrpläne optimal auf die tatsächliche Nachfrage abstimmen oder auch in Echtzeit anpassen, etwa um Busse im Fall eines Staus umzuleiten.

Einsatz von Robo-Shuttles

Einführung von "Robo-Shuttles" – Großraumtaxen, die autonom fahren und für "Ride-Pooling" eingesetzt werden, also Kunden mit ähnlichen Fahrtzielen gemeinsam transportieren. So können die Robo-Shuttles auf stark ausgelasteten Strecken den Busverkehr ergänzen und ihn auf schwach ausgelasteten Strecken vollständig ersetzen. Dadurch lässt sich die Zahl der Busse reduzieren und die verbleibenden werden besser ausgelastet. Der Aufwand für Personal sowie Instandhaltung und Reparaturen sinkt entsprechend.

Automatisierung der bestehenden Flotte

Sukzessiver Ersatz der konventionellen Busse und Straßenbahnen durch autonom fahrende Fahrzeuge. Das Streckenangebot bleibt dabei vorerst unverändert, die neuen Fahrzeuge dienen als Zubringer für die stark frequentierten Strecken, die weiterhin von U-Bahnen bedient werden. Damit sparen Verkehrsbetriebe nicht nur an den Personalkosten, sondern auch durch eine bessere Steuerung von Betriebsabläufen, sinkende Wartungskosten, eine energieeffizientere Fahrweise und weniger Unfälle.

Elektrifizierung von Bussen

Umstellung der Flotte auf elektrische Fahrzeuge und Aufbau der dafür notwendigen Ladeinfrastruktur. Das erfordert zunächst hohe Investitionen, auch weil Elektrobusse in der Anschaffung noch teurer als konventionell angetriebene Busse sind. Jedoch ist zu erwarten, dass sich Preise, Reichweite und Laufzeiten für Elektrobusse und konventionelle Busse langfristig angleichen. Bei den laufenden Kosten sind die elektrischen Fahrzeuge aufgrund deutlich niedrigerer Energiekosten und geringerer Kosten für Wartung und Instandhaltung im Vorteil.

Mobility-as-a-Service

Einführung einer Plattform, auf der verschiedene Verkehrsmittel unterschiedlicher Anbieter – öffentlicher wie privater – mit einem einheitlichen Ticket- und Preissystem angeboten werden. So kann sich der Kunde die passende Kombination zusammenstellen (lassen). Solche intermodalen Plattformen ermöglichen es Verkehrsbetrieben, Kapazitäten zu steuern und vor allem den Zugriff auf die Kundenschnittstelle und die damit zusammenhängenden Daten zu behalten und so zusätzliche Einnahmen zu erzeugen. Mobility-as-a-Service-Angebote sind zudem Grundlage und wichtige Wegbereiter für das Umsetzen weiterer Ansätze wie die Nutzung von Echtzeitdaten.

Ride-Pooling mit nichtautonomen Großraumtaxen

Durch Großraumtaxen mit Fahrer lassen sich neue Gebiete an das Verkehrsnetz anschließen, aber auch Busrouten mit geringer Auslastung ersetzen. Zudem können Fahrten auf Nachfrage durchgeführt werden, etwa in ländlichen Regionen, wo eine regelmäßige Bedienung bisher nicht lohnte. Damit können Verkehrsbetriebe neue Kunden und Umsätze gewinnen, ihre Flotten besser auslasten und die Betriebskosten senken. Zwar sind die Anlaufkosten hoch und durch erhöhte Personalkosten ist der finanzielle Effekt gering, doch dieser Ansatz ist wichtig als Vorbereitung auf die Einführung autonomer Fahrzeuge und die damit einhergehende Skalierung des Geschäftsmodells

Kapazitätssteuerung

Einführung gestaffelter Preise (innerhalb der Grenzen der Daseinsvorsorge), die sich an der Nachfrage orientieren. Damit lässt sich die Auslastung der Fahrzeuge steuern, die Kapazitäten der Flotte besser nützen und zusätzliche Nachfrage bedienen.

Das jeweilige Effizienzpotenzial dieser Ansätze reicht von minimalen Auswirkungen, etwa beim Ride-Pooling mit Fahrer, bis hin zu einem um 7 Prozentpunkte höheren Kostendeckungsgrad, der sich in Metropolen durch die Nutzung von Echtzeitdaten erreichen lässt (vgl. Grafik). Lohnend ist es, alle sieben Ansätze umzusetzen, da sie sich gegenseitig befruchten und ineinandergreifen. Zudem unterstützen sie eine integrierte Herangehensweise und schaffen damit die Voraussetzung für ein möglichst effizientes Gesamtsystem für urbane Mobilität. Davon profitieren sowohl die Betreiber, egal ob öffentlich oder privatwirtschaftlich, als auch die Nutzer.

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Studie

ÖPNV kann durch neue Technologien deutlich rentabler werden

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Der ÖPNV kann durch neue Technologien deutlich rentabler werden, im besten Fall sogar gewinnbringend. Roland Berger beschreibt sieben Ansätze, die den Kostendeckungsgrad steigern.

Veröffentlicht April 2019. Vorhanden in
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