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Megatrend Convenience lässt Schnell-Lieferdienste boomen

Megatrend Convenience lässt Schnell-Lieferdienste boomen

13. Dezember 2021

Anbieter profitieren von Kostenvorteilen und großen Hoffnungen der Kapitalgeber

Es ist so einfach, und so bequem: Statt selbst zu überlegen, was es zu essen gibt, schnell online eine Koch Box mit allen Rezepten und Zutaten bestellen. Oder Lebensmittel in nur zehn bis 15 Minuten an die Haustür geliefert bekommen. Da reicht es aus, den lästigen Großeinkauf nur noch alle zwei bis drei Wochen zu erledigen und den Rest einfach online abzuwickeln. Kein Wunder, dass sich Convenience in den vergangenen Jahren zu einem der Megatrends im Konsumbereich entwickelt hat. Die Corona-Pandemie und monatelange Lockdowns haben den Trend zusätzlich bestärkt.

Quick Commerce dürfte für die nächste Disruption im Lebensmittelhandel sorgen.
Der Megatrend Convenience und die Corona-Pandemie haben Schnell-Lieferdiensten in Deutschland ein massives Wachstum beschert.

So scheint es nur folgerichtig, dass in Deutschland in jüngster Zeit eine ganze Reihe neuer Quick-Commerce-Start-ups entstanden sind. Auch etablierte Online-Lieferanten haben weitere Geschäfte in Großstädten eröffnet, die Kunden mit dem Versprechen locken, die bestellten Lebensmittel in nur zehn bis 15 Minuten zu liefern. Nachdem der Onlinehandel im Lebensmittelbereich jahrelang von traditionellen Supermärkten und reinen E-Commerce-Anbietern dominiert wurde, ist damit nun viel Bewegung in den Markt gekommen .

"Quick Commerce wird auch in Deutschland Marktanteile im zweistelligen Prozentbereich erzielen und langfristig Gewinne abwerfen."
Portrait of Patrick Müller-Sarmiento
Senior Partner
Hamburg Office, Zentraleuropa

Risikokapital befeuert die Marktdynamik

Bestärkt wird die Entwicklung durch massiven Kapitalzufluss. Allein der Online-Lebensmittelhandel hat seit Beginn der Covid-19-Pandemie rund 14 Mrd. US-Dollar an Wagniskapital eingesammelt. Nahezu alle On-Demand-Lebensmittelplattformen haben in den vergangenen sechs Monaten erhebliches Startkapital zu hohen Bewertungen erhalten. Vielversprechend ist das Segment allemal: Allein das Volumen des europäischen Lebensmittelmarkts wird auf rund 2 Billionen Dollar geschätzt.

Erste große Quick Commerce-Player konnten sich daher dank großzügiger Kapitalzuflüsse und beeindruckender Wachstumsraten bereits erfolgreich etablieren. In der nächsten Zeit wird es vor allem darum gehen, bestehende Kunden an sich zu binden und weitere Marktanteile zu erobern. Dafür müssen die Anbieter unter anderem massiv in Marketing investieren: Die entsprechenden Ausgaben können sich in der Anfangsphase schnell auf 30 Prozent der Gesamtkosten und mehr summieren.

Quick Commerce ist ein Low-Capex-Modell

Berechnungen zeigen allerdings, dass Quick Commerce grundsätzlich das Potenzial hat, eine deutlich höhere Rentabilität zu erzielen als der traditionelle Handel. So sind die Aufschläge der Anbieter auf die aktuellen Einzelhandelspreise gering – ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz bei Verbrauchern und der Gewinnung von Neukunden. Außerdem bieten ihre Geschäftsmodelle starke Kostenvorteile, weil die Unternehmen beispielsweise keine Laden- oder Parkplatzmieten zahlen müssen. Auch die Marketingkosten reduzieren sich mit zunehmender Etablierung im Markt. Jedoch bestehen in der Automatisierung von Dark Stores, in der Zustellung sowie im Pricing noch erhebliche Optimierungsmöglichkeiten. So können die Preise etwa je nach Tages- oder Nachtzeit variieren und für äußerst schnelle Lieferungen kann Kunden ein Aufschlag in Rechnung gestellt werden.

Langfristig wird die Rentabilität des Quick Commerce von der Größe der Warenkörbe, der Höhe der Liefergebühren und der Auslastung der Fahrer abhängen. Ein weiterer entscheidender Hebel ist die Effizienz im Sortiment. Sie ist bei den neuen Anbietern bereits hoch und wird mit zunehmender Datenbasis über die Bedürfnisse der Zielgruppe in der näheren Umgebung noch größer werden. Nachdem 65 Prozent aller Online-Bestellungen inzwischen über das Smartphone abgewickelt werden, können sich die Unternehmen auf eine deutlich kleinere Artikelauswahl fokussieren als der traditionelle oder Online-Handel. Für diese Waren benötigen sie allerdings einen hohen Umschlag. Ein optimal ausgelasteter Dark-Store mit ausreichender Kundenbasis und entsprechenden Durchschnittswarenkörben kann daher durchaus in drei bis fünf Jahren den Break Even erreichen. Das erste profitable Dienstangebot dieser Art gibt es bereits in der Türkei.

Klar ist aber auch: Aktuell sind die meisten Unternehmen von der Gewinnzone noch weit entfernt. Anbieter in Großbritannien etwa machen rund 2,85 GBP Verlust pro Bestellung. Auch in Deutschland steigern Neukunden-Rabatte, geringe Fahrer-Auslastung und hohe Investitionen die Margen. Eine Konsolidierung des aktuell rasant wachsenden Marktes wird daher unvermeidlich sein.

Quick Commerce: Die nächste Disruption im Lebensmittelhandel

Insgesamt scheint ein weiterer Umbruch im Lebensmittelhandel damit unabwendbar. Nach dem Aufstieg der Discounter und der zunehmenden Verlagerung auf Nahversorger und das Internet könnten sich die schnellen Lieferdienste zur dritten großen Disruption der Branche entwickeln – mit tiefgreifenden Folgen für die Wirtschaftlichkeit von Online- und traditionellen Convenience-Geschäften.

Bislang reagieren die Lebensmittelhändler nur langsam auf das Modell der schnellen Lieferung. Diejenigen, die es tun, konzentrieren sich dabei häufig auf Partnerschaften mit Lebensmittel-Lieferanten. Allerdings werden sie damit nur kurzfristig profitieren. Sinnvoller ist stattdessen eine Kooperation gegen eine Beteiligung, beispielweise mit Aufstockungsoption und verbindlichen Kooperationsverträgen.

Quick Commerce wird auch in Deutschland Marktanteile im zweistelligen Prozentbereich erreichen und kann langfristig profitabel sein. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Ende von Discountern, Supermärkten und den E-Commerce-Modellen der stationären Händler. Doch der Wettbewerbsdruck steigt – vor allem bei jenen Kunden, die ihre Einkäufe nicht mehr nach der alten, stationären Logik planen wollen.

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