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Financial Wellbeing in Deutschland

Financial Wellbeing in Deutschland

3. Oktober 2025

Potenziale für ganzheitliche Finanzlösungen

Souverän mit dem individuell zur Verfügung stehenden Geld umgehen, selbstgesteckte Ziele erreichen und finanzielle Risiken gut abfedern können: Wer so agiert, ist im Zustand des "Financial Wellbeings". Eine von Roland Berger gemeinsam mit dem House of Finance & Tech durchgeführte repräsentative Befragung von 1.000 Teilnehmenden zeigt jedoch deutliche Verbesserungspotenziale auf: 52 Prozent der Befragten verspüren mindestens einmal pro Woche finanzielle Ängste und Sorgen, 27 Prozent haben nach eigenen Angaben keine ausreichende Kontrolle oder keinen Überblick über ihre Finanzen.

Frau mit Handy im Coffeeshop
Unsere neue Studie zeigt: Großer Bedarf nach integrierten Financial Wellbeing-Lösungen in der deutschen Bevölkerung

Deutschland im OECD-Mittelfeld mit Aufholbedarf

Der durchschnittliche Financial Wellbeing Score liegt in Deutschland bei 53 Punkten und damit im Mittelfeld der OECD-Staaten. Dieser international anerkannte Kennwert, entwickelt vom amerikanischen Consumer Financial Protection Bureau, misst anhand von fünf Kategorien das finanzielle Wohlergehen: Gegenwart, Zukunft, Kontrolle, Freiheit und Stress.

Struktureller Handlungsbedarf mit Chancen für alle

Financial Wellbeing ist kein Nischenthema, sondern ein strukturelles und gesamtgesellschaftliches Anliegen. Die Studie zeigt konkrete Herausforderungen auf: Inflation, demografischer Wandel und sich verändernde Anforderungen an die Altersvorsorge schaffen Bedarf nach neuen Lösungsansätzen. Gleichzeitig bietet die aktuelle Marktlage Chancen für innovative, ganzheitliche Finanzdienstleistungen.

Diese finanzielle Unsicherheit ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren: makroökonomische Entwicklungen wie Inflation und demografischer Wandel, technologische Veränderungen, die Arbeitsplätze bedrohen, sowie psychologische Verzerrungen, die zu suboptimalem Sparverhalten führen.

Win-Win-Situation für alle Beteiligten

Financial Wellbeing – definiert als finanzielle Sicherheit und Entscheidungsfreiheit sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft – bietet Vorteile für Individuen, Finanzdienstleister und den Staat gleichermaßen.

Für Individuen bedeutet es weniger finanziellen Stress, gestärkte Resilienz gegenüber unerwarteten Ereignissen und eine geringere Überschuldungsgefahr. Menschen, die sich finanziell abgesichert fühlen, sind zufriedener und produktiver.

Finanzdienstleister profitieren durch kundenzentrierte Angebote, höhere Abschlussquoten durch gezieltes Cross-Selling und Risikominimierung. Knapp 53 Prozent der Befragten würden eine einfache, digitale und vertrauensvolle Financial Wellbeing-Lösung bereits heute nutzen.

Die öffentliche Hand kann auf eine finanziell besser abgesicherte Bevölkerung bauen, die weniger auf staatliche Unterstützung angewiesen ist und aktiv zur wirtschaftlichen Stabilität beiträgt.

Individualisierte Lösungen statt "One size fits all"

Beim Thema Financial Wellbeing gibt es keine 'One size fits all'-Lösung. Jegliches Angebot muss sich an den realen Bedarfen orientieren. Das von Roland Berger entwickelte mehrdimensionale Framework strukturiert diese individuellen Bedarfe und macht eine zielgerichtete Adressierung möglich.

Die finanziellen Bedürfnisse variieren stark je nach Lebensphase und Vermögenssituation. Während junge Menschen primär eine finanzielle Basis aufbauen müssen, fokussieren sich Middle Ager auf strukturierten Vermögensaufbau und Vorsorgeplanung. Das Framework berücksichtigt drei zentrale Bedarfsfelder:

  • Finanzielle Basis: Tägliches Finanzmanagement und Grundsicherheit
  • Anlage und Vermögensaufbau: Altersvorsorge, Sparen und Vermögensverwaltung
  • Risikoabsicherung: Schutz vor unvorhergesehenen finanziellen Belastungen

Der Markt: Fragmentiert statt integriert

Ein zentrales Problem der aktuellen Marktlandschaft ist ihre Fragmentierung. Finanzdienstleister agieren größtenteils in Silos und bieten Einzelbausteine wie Sparpläne, Versicherungen oder Robo-Advisors, ohne diese entlang individueller Lebensrealitäten zu orchestrieren. Ganzheitliche Finanzplanung bleibt bisher ein Privileg von Vermögenden.

Über 30 Prozent der Befragten erreichen Financial Wellbeing nicht, weil sie sich zu wenig Zeit dafür nehmen, keinen vertrauensvollen Berater haben oder keine passenden Produkte kennen. Hier werden existierende Potenziale von Finanzdienstleistern schlichtweg nicht ausgeschöpft.

Technologie als Demokratisierungschance

Die Lösung liegt in der Demokratisierung der Finanzplanung durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Aktuell bestehende Lösungen schöpfen nur einen kleinen Teil des Potenzials von Financial Wellbeing aus. Datengetriebene, automatisierte Lösungen sorgen für mehr Effizienz und bieten die Chance, ganz neue Kundenkreise zu erschließen.

Open Finance und APIs schaffen die technologische Basis für personalisierte, skalierbare und kosteneffiziente Beratung. Eine stark digital bzw. KI-getriebene Datenaufnahme, -analyse und Segmentierung kann den bisherigen Aufwand massiv reduzieren und individualisierte Finanzplanung für breite Bevölkerungsschichten zugänglich machen.

"Financial Wellbeing ist mehr als ein Trend – es ist die Chance, Finanzplanung zu demokratisieren und ganzheitliche Lösungen für alle Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen."
Viktoria Danzer
Senior Partner
München Office, Zentraleuropa

Der Staat als Enabler

Die öffentliche Hand kann eine wichtige Rolle übernehmen – durch finanzielle Bildung, Bereitstellung von Infrastruktur und neutrale Orchestrierung des entstehenden Ökosystems. Beispiele aus anderen Ländern zeigen: Finanzbildung lässt sich erfolgreich über massenmediale Formate vermitteln. Italien erreichte mit einer Quiz-Show 4,5 Millionen Zuschauer und verbesserte signifikant das Finanzwissen der Bevölkerung.

Die Voraussetzungen für ein Financial Wellbeing-Ökosystem umfassen rechtliche und steuerliche Anreize, digitale Infrastruktur sowie den gesetzgeberischen Rahmen für Transparenz und Fairness.

Zeit zu handeln

Eine bessere Vermittlung von Finanzkenntnissen in der breiten Bevölkerung ist eine der zentralen Voraussetzungen für finanzielle Selbstwirksamkeit. Hier ist auch der Staat gefordert.

Financial Wellbeing ist ein strategischer Imperativ – für den Einzelnen, für die Finanzbranche und für die gesamte Gesellschaft. Die Ergebnisse der Studie sind ein Aufruf an Finanzindustrie, Politik und Technologieverantwortliche, endlich zu handeln. Es ist an der Zeit, Finanzplanung in Deutschland zu demokratisieren.

Die Chance ist da. Jetzt müssen Finanzinstitute, Innovatoren und Regulierer den Schritt von fragmentierten Produkten hin zu ganzheitlichen, nutzerzentrierten Lösungen machen. Financial Wellbeing als Beitrag zu mehr Resilienz, Freiheit und Selbstwirksamkeit hat nicht nur eine individuelle, sondern auch eine wichtige gesamtgesellschaftliche Dimension.

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