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James Cadburys nachhaltige Schokolade

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James Cadburys nachhaltige Schokolade

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München Office, Zentraleuropa
21. Januar 2024

Obwohl Cadbury einen berühmten Namen geerbt hatte, musste er bei null anfangen

Artikel

von Anthony Myers

James Cadbury hat Schokolade im Blut: Seine Vorfahren haben den berühmten Schokoladenriegel erfunden. Der Cadbury-Erbe führt heute zwei eigene Unternehmen, die sich auf vegane und ethisch sauber produzierte Schokolade konzentrieren. Dabei ist er so erfolgreich, dass Großkonzerne ihn genau beobachten.

James Cadbury wurde sich als Kind zum ersten Mal seiner familiären Herkunft bewusst, als er die Cadbury-Schokoriegel in den Auslagen der Lebensmittelläden sah. Trotz seines Namens war er jedoch nicht als Erbe für das Familienvermögen vorgesehen. "Als Quäker glaubten sie, jeder müsse neu anfangen. Viele Leute denken, ich könnte einfach in die Fabrik gehen und würde sehr viel Geld haben. Das stimmt aber nicht, tatsächlich trifft das Gegenteil zu", erzählt Cadbury.

Seine Karriere in der Finanzbranche gab er 2016 auf, um seine eigene Schokoladenfirma Love Cocoa zu gründen. "Als ich anfing, hatte ich keine Ahnung, wie man Schokolade herstellt", gesteht er freimütig zu. Seine Idee war, hochwertige Schokoladenpräsente in einem schlanken Umschlag statt in sperrigen Schachteln zu verschicken. Inzwischen ist daraus die aufwendige Suche nach dem ethisch korrekten Schokoriegel geworden, der sich an den Vorstellungen seiner Vorfahren orientieren soll.

Mehrere vierkantige Tafeln Milchschokolade, alle vollständig, bis auf eine, bei der eine Ecke abgebrochen ist, goldgelber Hintergrund.
Weiterdenker: Mitch Kapor, Freada Kapor Klein, Rose Marcario und Bob Chapman wollen mithilfe ihrer Unternehmen die Welt verbessern.

James Cadburys Ur-Ur-Ur-Großvater John Cadbury und sein Sohn George nämlich haben den Schokoriegel praktisch erfunden, als George 1850 eine Kakaopresse aus den Niederlanden kaufte. Das Unternehmen entwickelte sich von einem kleinen britischen Hersteller zu einer der bekanntesten Schokoladenmarken der Welt. Bis 2010 blieb die Firma unabhängig, dann wurde Cadbury von Kraft, heute Mondelēz International, geschluckt. "Das Erbe meiner Familie lehrt mich Rückgrat, eine innovative Haltung und einen fairen Umgang mit meinen Mitarbeitern", sagt der 37-Jährige.

Mit eigenen Ersparnissen und einem Startkredit von 30.000 US-Dollar verließ Cadbury den Londoner Finanzdistrikt und gründete sein eigenes Unternehmen. Die Love-Cocoa-Riegel werden in London von Hand gefertigt und bieten eine Reihe ungewöhnlicher Geschmacksrichtungen, darunter Gin Tonic und Erdbeer-Champagner. In den letzten Jahren wurden die Riegel mehrfach ausgezeichnet.

Ein schmutziges Geschäft

Die Herstellung von Schokolade kann ein schmutziges Geschäft sein. Laut Weltwirtschaftsforum leben Bauern in der Elfenbeinküste oft von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Auf sie entfallen mehr als 40 % der Kakaobohnen weltweit. Kinderarbeit ist stark verbreitet und Landwirte dehnen ihre Anbauflächen in geschützte Umweltgebiete aus.

Seit der Unterzeichnung des Harkin-Engel-Proto­kolls im Jahr 2001, eines internationalen Abkommens, bemüht sich die Kakaobranche um saubere Lieferketten – doch die Probleme bestehen fort.

Aufgrund einer neuen EU-Rechtsvorschrift, die die Einfuhr von Rohstoffen aus geschützten Wäldern verbietet, müssen große Schokoladenhersteller und Kakaolieferanten seit Mitte 2023 vollständige Transparenz ihrer Lieferketten sicherstellen. Unternehmen nutzen hierfür Satellitentechnologie und Kartierungstools. Schokoladen- und Kakaofirmen arbeiten auch direkt mit Landwirten zusammen und investieren zunehmend in die agroforstliche Bewirtschaftung, um die Landwirte bei der Diversifizierung ihrer Ernten zu unterstützen.

Als junger Chef eines neuen Unternehmens musste Cadbury zunächst die Pandemie überstehen. Er beschloss, seine Mitarbeiter zu halten und sich auf den Direktvertrieb mit Endkunden zu konzentrieren. Anfang 2023 bekam Cadbury fast fünf Millionen US-Dollar Kapital von Richard Koch, einem Autor und Unternehmer, der hinter Unternehmen wie der britischen Kaffeekette Grind und dem Online-Wettanbieter Betfair steht.

Love Cocoa hat sich in kaum mehr als sieben Jahren von einem Ein-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen mit 19 Mitarbeitern und einem Umsatz von 6,4 Millionen US-Dollar entwickelt. Im Jahr 2020 brachte Cadbury mit H!P Chocolate seine zweite Marke auf den Markt, um die wachsende Nachfrage nach veganen Produkten zu bedienen. Das Unternehmen war eines der ersten, das Hafermilch für die Produktion von Schokolade verwendete. So gelang es, der veganen Schokolade denselben cremigen Geschmack und dieselbe Textur wie dem Original zu verleihen. Zuvor hatte man Reis- oder Kokosmilch als Milchersatz verwendet, doch in den Augen vieler Kritiker und Kunden schmeckte das zu süß und es fehlte das typische Schmelzgefühl traditioneller Schokolade. Zwölf Monate dauerte die Entwicklung des veganen Riegels, bis Cadbury zufrieden war und das neue Produkt seine Vorstellungen von Geschmack, Gesundheit und Umweltverträglichkeit erfüllte.

Nahaufnahme von Bauernhänden, die mit einer roten Gartenschere die gelben Früchte einer Kakaopflanze von einem Baum abschneiden; die grünen Blätter des Baumes sind unscharf im Hintergrund erkennbar.
Ethisch wirtschaften: James Cadbury setzt sich mit seinen Schokoladenmarken Love Cocoa und H!P Chocolate für den Schutz der natürlichen Ressourcen und der Lebensgrundlagen der Bauern ein.

Die beiden Marken verfolgen unterschiedliche Ziele. Love Cocoa diente Cadbury als Ausgangspunkt für eine Umgestaltung des Kakaosektors. Denn die schmutzige Lieferkette hat sich seit der Zeit seiner Vorfahren praktisch nicht verändert. Die Branche kämpft noch heute mit ihrem kolonialen Erbe, der Verarmung der Bauern, vor allem in Westafrika. H!P Chocolate wiederum entwickelt sich zu einer umweltbewussten Alternative ohne Kuhmilch, vor allem seit der Einführung in den Supermärkten von Sainsbury's. Cadbury bereichert beide Marken zudem mit einer Reihe weiterer ethischer Ansprüche. Sie stehen für plastikfreie Verpackungen, nachhaltig beschafften Kakao und für Engagement im Kampf gegen die Abholzung von Wäldern und den Klimawandel. Im Juni 2023 untermauerte das unabhängige Zertifikat "Benefit Corporation", kurz "B Corp", die Bemühungen Cadburys.

Das Unternehmen hat zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Kakaolieferanten von der Insel São Tomé eingestellt, weil sie mit Sklaverei in Verbindung gebracht wurden. Eine bessere Quelle hat der Jungunternehmer mit Luker Chocolate in Kolumbien gefunden, das Unternehmen garantiert 100 % Nachhaltigkeit in seiner Lieferkette. Auf einem Markt mit einem geschätzten Gesamtvolumen von jährlich rund elf Milliarden US-Dollar verschafft das Love Cocoa einen Vorteil gegenüber großen Konzernen. Diese beziehen ihren Kakao weiterhin vor allem aus Westafrika, wo Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße schwieriger auszumerzen sind.

James Cadbury konzentriert sich auf die Konsistenz der verquirlten Schokolade, die aus dem Schneebesen in seiner rechten Hand tropft. In seiner linken Hand hält er eine Metallschüssel, er trägt ein hellblaues Hemd und eine Schürze mit dem Love Cocoa-Logo.
Beste Qualität: James Cadbury gründete Love Cocoa, um die Innovationen und Standards der Schokoladenfabrik seiner Familie einer neuen Generation von Verbrauchern zugänglich zu machen.

Der umtriebige Unternehmer will weiter wachsen. In den nächsten Jahren soll Love Cocoa Gewinne erwirtschaften. "Unser Ziel ist ein Börsengang in fünf bis sieben Jahren", sagt Cadbury. Marktbeobachter verfolgen genau, wie er sich anschickt, seine bislang noch kleine Nische zu vergrößern. "Love Cocoa hat sich in den letzten Jahren im britischen Premiumsegment für Süßwaren schnell einen Namen gemacht", sagt Neill Barston von der Fachzeitschrift Confectionery Production. "Die nächste Herausforderung kommt mit dem Eintritt in die umkämpfte Arena des markengeführten Einzelhandels. Das ist der ultimative Test für die nächste Stufe", erklärt Barston.

Cadbury scheint jedenfalls einen guten Riecher für Trends zu haben. Inzwischen setzen auch größere Schokoladenhersteller auf vegane Produkte. Lindt zum Beispiel brachte 2022 einen Hafermilch-Schokoriegel auf den Markt. Das wirft die Frage auf, ob einer der großen Player bald ein Angebot für H!P vorlegen könnte. Würde Cadbury verkaufen, insbesondere angesichts des schalen Nachgeschmacks, den die Übernahme des elterlichen Betriebs durch den Multi Mondelēz International hinterlassen hat? Der Schokoladenerbe antwortet zurückhaltend: "Wenn ich das Unternehmen ohne Hilfe eines Konzerns so groß wie möglich machen kann, dann wäre das meine oberste Priorität. Aber irgendwann, wenn wir weitere Investitionen von außen benötigen, könnte das eine interessante Diskussion werden."

ÜBER DEN AUTOR
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Anthony Myers
Anthony Myers schreibt seit fünf Jahren über Trends und Nachhaltigkeitsfragen im Kakaosektor. Als Redakteur und Autor hat er auch für führende Publikationen gearbeitet, darunter The Guardian in London und The South China Morning Post in Hongkong. Anthony ist britischer Staatsbürger, lebt aber inzwischen dauerhaft in Frankreich und hat nicht für den Brexit gestimmt.
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