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Die gute Art, gute Geschäfte zu machen

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München Office, Zentraleuropa
22. Januar 2024

Die Erfolgsgeschichten dieser Sozialunternehmer ermutigen dazu, den Unternehmenszweck zu überdenken

Artikel

von Helene Laube
Illustrationen von Laura Salafia

Sozialunternehmer versuchen, mithilfe ihrer Geschäfte die Welt zu verbessern. Wie diese vier US-Manager zeigen, geht es dabei keinesfalls nur um ihre eigenen Firmen, sondern darum, einen gesamtgesellschaftlichen Wandel anzustoßen.

Gutes tun schließt nicht aus, gutes Geld zu verdienen. Das wollten die Impact-Investoren Freada Kapor Klein und ihr Ehemann Mitch Kapor beweisen, als sie 2011 Kapor Capital gründeten. Kapor investiert in Start-ups, die Lücken schließen sollen. "Wir wollten beweisen, dass man soziale Wirkung erzielen kann, ohne Renditen zu opfern", sagt Kapor Klein während eines Video-Interviews in ihrem kalifornischen Zuhause. Die bekannte Investorin erklärt, dass ihre "Investitionskriterien ziemlich klar und streng sind. Das Unternehmen muss ein Tech-Start-up sein, denn nur so wird etwas skalierbar. Und das Kerngeschäft muss Lücken beim Zugang, in den Möglichkeiten oder bei den Ergebnissen für einkommensschwache oder farbige Gemeinschaften schließen."

Kombinierte Illustrationen, die halbnahe Porträts von vier Personen zeigen. Von links nach rechts sieht man: Rose Marcario in roter Bluse; Mitch Kapor mit blauem Jacket, weißem Hemd und Brille; Frida Kapor Klein in blauer Bluse; Und Bob Chapman in senffarbenem Jacket und weißem Hemd, ebenfalls mit Brille. Im Hintergrund sieht man zwei Säulen, einen Torbogen und Mauerwerk in fahlem Blaugrün.
Weiterdenker: Mitch Kapor, Freada Kapor Klein, Rose Marcario und Bob Chapman wollen mithilfe ihrer Unternehmen die Welt verbessern.

Die Firma des Duos investiert nicht in Unternehmen, "die nur ihre Gründer reich machen", sagt Kapor Klein. Schon 1976 war sie eine Mitgründerin der ersten US-Organisation zur Bekämpfung sexueller Belästigung, AASC. Ihr heutiges Vehikel Kapor Capital zeigt, dass rein Impact-orientierte Investitionen erstklassige finanzielle Renditen erzielen können. "Wie wir in unserem Impact-Bericht 2019 gezeigt haben, lagen wir im Vergleich zu allen Risikokapitalfonds ähnlicher Größe im obersten Viertel", betont Mitch Kapor, der früh Tabellenkalkulationsprogramme entwickelte und Mitgründer von Lotus Software war. Bisher hat Kapor Capital fast 200 Unternehmen gestartet, die sich für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit einsetzen und dabei bemerkenswertes Wachstum zeigen. Viele werden mit Hunderten von Millionen oder Milliarden US-Dollar bewertet.

Eine Illustration des Ehepaars Kapor Klein: Links Frida Kapor Klein in dunkelroter Bluse, in ihrer ausgestreckten linken Hand hält sie eine Lotosblume. Rechts hinter ihr steht Mitch Kapor mit blauem Jacket, weißem Hemd und Brille. Hellblauer Hintergrund mit grünem Schilf und den Shilouetten von Häusertürmen auf beiden Seiten des Paares.
Ihnen geht es nicht nur ums Geld: Freada Kapor Klein und Mitch Kapor wollen Gerechtigkeitslücken schließen und Wohlstand für sozial schwache Gemeinschaften generieren.

Ein Schwerpunkt ist Diversity. In ihrem Buch Closing the Equity Gap betonen die beiden, dass großartige Geschäftsideen und Gründer außerhalb der Venture-Capital-Blase oft übersehen werden. Sie kritisieren, dass bei traditionellen Risikokapitalgebern der Großteil des geschaffenen Reichtums die Eliten bereichert und die wirtschaftliche Ungleichheit weiter vergrößert.

Names: Freada Kapor Klein & Mitch Kapor
Unternehmen: Kapor capital
Philosophie: Kapor Capital setzt auf Diversity und Tech-Lösungen für eine gerechtere Gesellschaft. Die Grundidee ist: Risikokapital kann sozial und finanziell gewinnbringend sei.

Das Ziel des Paares ist, Wohlstand für sozial Benachteiligte zu schaffen. Sie geben zu, dass es nur langsam vorangeht: "Es gibt viele Fortschritte, aber sie summieren sich keineswegs zu einem grundlegenden Wandel", sagt Mitch Kapor. "Der Zeitrahmen ist Jahrzehnte oder Generationen lang, aber wir haben den Stab bereits einer neuen Generation übergeben." 2022 trat das Paar bei Kapor Capital in die zweite Reihe zurück. Neue geschäftsführende Partner wurden Ulili Onovakpuri, eine der wenigen schwarzen Frauen im Risikokapitalbereich, und Brian Dixon, einer der jüngsten schwarzen Fondsmanager.

Eine Illustration von Rose Marcario. Sie trägt einen blauen Pullover mit V-Ausschnitt über einer weißen Bluse. Über ihrer ausgestreckten linken Hand schwebt eine chinesische Laterne, so als ob diese aus ihrer Hand aufsteigt. Der indigoblaue Hintergrund suggeriert einen Nachthimmel, über den in der Ferne hinter Marcario verschwommen weitere chinesische Laternen ziehen.
Eine gute Kraft: Rose Marcario widmet ihr Leben Unternehmen, die unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören, sondern schützen – zunächst als CEO von Patagonia und nun als Partnerin bei ReGen Ventures.

Nach zwölf Jahren bei Patagonia, davon sieben als CEO, war ein Wechsel "lebensnotwendig", erzählt Rose Marcario. Seit seiner Gründung vor 50 Jahren hat Patagonia Wirtschaft und Politik stärker vermischt als die meisten anderen Unternehmen. Die Kalifornier erarbeiteten sich einen Ruf dafür, sich für Umwelt und Gesellschaft einzusetzen und Aktivisten zu unterstützen. Marcario aber wollte noch viel mehr erreichen. "Unser Leben ist kurz, daher schienen mir skalierte, direkte Klimaschutzlösungen als der beste Weg für mich", sagt sie.

Marcario stieg 2020 bei Patagonia aus, um als Partnerin bei ReGen Ventures weitreichende Veränderungen in einer Welt zu erzielen, die sie kurz vor dem ökologischen Zusammenbruch sieht. Die in Los Angeles ansässige Firma investiert in Start-ups in der Frühphase, die an regenerativen Technologien arbeiten. "Ihre Technologien", erklärt Marcario, "ermöglichen regenerative Landwirtschaft, Klimaresilienz, Ernährungssicherheit, pflanzliche Lebensmittelalternativen und neue Produktionsmaterialien, die aus regenerativen Ressourcen stammen".

Name: Rose Marcario
Unternehmen: Patagonia/ReGen Ventures
Philosophie: Marcario investiert in "regenerative Tech-Firmen, die die Erde aus ihren Atomen neu erschaffen". ReGen Ventures baut auf ihre Arbeit bei Patagonia auf und bewirbt Investitionen als optimistischen Akt, der das Leben der Menschen verbessern kann.

Marcario steht für eine menschlichere Version des Kapitalismus. Während ihrer Zeit bei Patagonia engagierte sie sich aktivistisch, was in einer Klage gegen den damaligen Präsidenten Trump gipfelte, als dieser zwei Naturschutzgebiete in Utah verkleinern lassen wollte. Ihr Credo ist: "Ich glaube, in der heutigen Welt ist es viel riskanter geworden, zu schweigen."

"Ich glaube, in der heutigen Welt ist es viel riskanter geworden, zu schweigen."

Rose Marcario

CEO
ReGen Ventures

Dabei räumt sie ein, dass Aktivismus – insbesondere für Umwelt oder Gerechtigkeit – für Marken riskant sein kann. Patagonia aber sei erfolgreich, weil das Unternehmen und seine Mitarbeiter "authentisch und konsequent ihren Werten verpflichtet und dabei brillante Vermarkter sind, die wissen, wie sie dieses Narrativ zu einer packenden, inspirierenden Geschichte verweben."

Als Konzern die Welt zu retten ist so wie Corporate Social Responsibility, ESG oder Impact Investing zu einer Mode geworden. Unternehmen wollen zeigen, dass ihnen ihre Mitarbeiter und die Welt da draußen wirklich am Herzen liegen. Auch wenn dies oft hohle Gesten sind, ist soziale Verantwortung deutlich wichtiger geworden. Die Gründe sind vielfältig: mehr öffentliches Bewusstsein für soziale Verantwortlichkeit, mehr Forderungen nach ethischer und sozialer Verantwortung sowie die Erkenntnis, dass Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Förderung gemeinsamer sozialer Werte spielen.

Wie geht man am besten mit Problemen um? "Fangen Sie immer mit Ihrem eigenen Produkt an, wo Sie den direktesten positiven Einfluss haben können", rät Marcario. Also Stellung beziehen, Leute weiterbilden, aufklären und NGOs und Aktivisten unterstützen. "Die Kunden stimmen mit ihren Dollars ab. All das ergibt unternehmerischen Sinn." Was nicht funktioniere, sei auch klar: schwache oder mehrdeutige Markenbotschaften sowie reaktiver und aufgesetzter Aktionismus.

Eine Illustration von Bob Chapman. Er trägt ein senffarbenes Jacket, ein hellblau-weiß-gestreiftes Hemd und eine schmale Krawatte und grinst. Vor ihm steht ein Bauklotzturm aus dem Spiel Jenga. In dem Turm fehlen sieben Steine, einen weiteren zieht Chapman gerade auf der rechten Seite heraus. Im Hintergrund sehen wir einen dunkelblauen, gerafften Vorhang aus seidenem Stoff.
Eine bessere Welt bauen: Bob Chapman hat sich einer Kultur der "Wahrhaft Menschlichen Führung" verschrieben, in der Manager jedem einzelnen Mitarbeiter empathisch und wertschätzend entgegenkommen.
"Die meisten Leute tun das Minimum, weil man sie nicht wertschätzt."

Bob Chapman

Chairman und CEO
Barry-Wehmiller

Bob Chapman sieht das heutige Management in einer Krise. "Unser kaputtes Modell baut ausschließlich auf Geld, Macht und Position auf", sagt der Vorstandsvorsitzende und CEO von Barry-Wehmiller. Das Fertigungsunternehmen aus Missouri mit einem Umsatz von 3,3 Milliarden US-Dollar hat 12.000 Mitarbeiter – "Teammitglieder", wie Chapman sagt. "Wenn Unternehmen und Führungskräfte sich tatsächlich um die Menschen kümmern würden, die sie führen dürfen, könnte die Wirtschaft die mächtigste Kraft für das Gute in der Welt sein", glaubt Chapman. Die mangelnde Fürsorge fordere ihren Preis: "Die meisten Angestellten tun gerade das Notwendigste, um durchzukommen. Sie sind entfremdet, weil sie sich nicht wertgeschätzt fühlen." Dies verschlechtere das Leben der Menschen und koste die Welt Billionen an verlorener Produktivität. Um genau zu sein: 7,8 Billionen US-Dollar im Jahr 2021.

Name: Bob Chapman
Unternehmen: Barry-Wehmiller
Philosophie: Werte schaffen, die weit über das Finanzielle hinausgehen: Der menschenzentrierte Ansatz von Barry-Wehmiller setzt darauf, dass gutes Management die Welt verbessern kann.

Chapman versteht Leadership als Verantwortung für die ihm anvertrauten Leben. Bei Barry-Wehmiller ist er seit 1969. Nachdem das Unternehmen 1987 beinahe bankrott war, konzentrierte er sich darauf, Firmen zu erwerben, "die sich in besseren Märkten befanden, die uns eine bessere Zukunft ermöglichen würden und von denen wir glaubten, sie verbessern zu können". Seitdem erwarb Barry-Wehmiller mehr als 120 Unternehmen, in denen Chapman die Unternehmenskultur transformieren konnte.

Chapman entwickelte eine neue Unternehmenskultur, die er "Wahrhaft Menschliche Führung" nannte. Sein Leadership-Modell sieht jeden Mitarbeiter als ganzen Menschen, nicht nur als eine Funktion. Zentrales Element dieser Philosophie ist das einfühlsame Zuhören und die Anerkennung einzelner Mitarbeiter und ihrer Leistungen.

2012 hielt Chapman einen TED-Talk, der seine Managementphilosophie weit über Barry-Wehmiller hinaus bekannt machte. 2016 gründete er dann eine Unternehmensberatung, die Kunden von American Airlines bis hin zum Footballteam der San Francisco 49ers beraten hat. Heute ist Chapman 78 Jahre alt. Sein Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich zu erreichen, um "die Zerrissenheit zu heilen, die wir heutzutage alle in der Welt spüren".

ÜBER DEN AUTOR
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Helene Laube
Helene Laube lebt in San Francisco, wo sie als Journalistin über Technologie, Wirtschaft, Politik und Kultur schreibt. Sie war Mitgründerin der Financial Times Deutschland und Onlineredakteurin im Nachrichtenressort der Neuen Zürcher Zeitung.
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