EV Charging Index: Experteneinblicke aus Deutschland

EV Charging Index: Experteneinblicke aus Deutschland

8. August 2023

Deutschland bleibt führend bei der EV-Nachfrage, muss seine öffentliche Ladeinfrastruktur jedoch weiter ausbauen

Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen (EV) in Deutschland ist hoch und nimmt dank staatlicher Anreize und einer breiteren Angebotspalette weiter zu. Getrübt wird dieses Bild durch eine Reihe von Faktoren, die den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur ausbremsen. Dessen ungeachtet hat Deutschland gute Chancen, bei der Entwicklung eines Energie-Ökosystems eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Welche Trends beherrschen die E-Mobilität in Deutschland?

Deutschland gehört innerhalb Europas zu den Spitzenreitern bei der E-Mobilität; der Anteil der Elektrofahrzeuge am Pkw-Absatz insgesamt liegt hierzulande bei 37 Prozent, gegenüber 16 Prozent im globalen Durchschnitt. Der Transportsektor trägt in erheblichem Maße zur Erderwärmung bei. Vor diesem Hintergrund gelten Elektrofahrzeuge als Mittel der Wahl, um den CO2-Fußabdruck der in Deutschland so wichtigen Automobilindustrie zu verkleinern. Die deutsche Regierung fördert – mit einigem Erfolg – den Übergang zur E-Mobilität durch ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Neben Kaufprämien gehören dazu Steuererleichterungen und geringere Zulassungskosten für Elektrofahrzeuge.

Die deutschen Automobilhersteller und Technologieanbieter investieren massiv in Forschung und Entwicklung zur E-Mobilität. Akteure wie Volkswagen, BMW und Daimler haben zudem neue Elektromodelle präsentiert, sodass die Konsumenten aus einer größeren Angebotspalette wählen können.

Parallel dazu erzielen sie technologische Fortschritte, die sich in einer höheren Batterieeffizienz, größeren Reichweiten und kürzeren Ladezeiten niederschlagen. Die zunehmende Alltagstauglichkeit der Elektrofahrzeuge führt dazu, dass sich immer mehr Konsumenten für die neue Antriebstechnologie interessieren und sie als praktikable Alternative betrachten. Ein deutliches Signal für diesen Trend ist der steile Anstieg des EV-Anteils am Pkw-Gesamtabsatz in Deutschland, der von 24 Prozent im ersten Halbjahr 2022 auf 37 Prozent zulegen konnte.

Allerdings sind auf dem Weg zur E-Mobilität noch einige Hürden zu bewältigen. Vergleichsweise hohe Kaufpreise zählen ebenso dazu wie eine immer noch mangelhafte Ladeinfrastruktur und fehlende Kapazitäten bei der Batterieproduktion. Gekoppelt sind all diese Faktoren an die nach wie vor spürbare Zurückhaltung des deutschen Automobilsektors.

In Deutschland finden sich einige der weltweit größten und einflussreichsten Automobilhersteller. Welche Auswirkungen hat dieses Erbe?

Vertreter aus Politik und Automobilindustrie liefern sich seit längerem eine Debatte darüber, welche Rolle Deutschland beim Umstieg auf die E-Mobilität spielen sollte. Das beeindruckende automobile Erbe des Landes erweist sich bei diesem Umstieg nicht nur als Vorteil. So konnten sich Unternehmen wie Tesla und einige chinesische Anbieter bereits gewisse Wettbewerbsvorteile sichern. Trotz der in letzter Zeit erzielten Fortschritte könnten sich die deutschen Automobilhersteller noch stärker für die Elektrifizierung einsetzen und damit auch den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben.

Welche sonstigen Hürden gibt es bei der Entwicklung der Ladeinfrastruktur?

Setzt man die Anzahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge zur Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte ins Verhältnis, so liegt Deutschland mit 26,1 deutlich hinter dem weltweiten Durchschnitt von 15,9. Hohen Investitions- und Anschlusskosten stehen nach wie vor niedrige Nutzungsraten gegenüber. Auch der Anteil der Schnellladepunkte an der öffentlichen Infrastruktur bleibt hinter dem weltweiten Durchschnitt zurück (16 % gegenüber 22 %). Da sich zudem die OEMs mit klaren Aussagen zur Reichweite künftiger Fahrzeuge zurückhalten, lassen sich Standorte, Kapazitäten und Nutzungsraten von öffentlichen und privaten Ladepunkten nur schwer planen. Ein weiterer Hemmschuh ist der dringend notwendige Netzausbau, um die steigende Nachfrage nach Strom zu befriedigen.

Welche Entwicklungen sind im Ladesektor zu erwarten?

Auf dem dynamischen Infrastrukturmarkt kämpfen diverse Akteure um einen Anteil am Upstream- und Downstream-Geschäft: Automobil-OEMs, Infrastrukturanbieter, Versorger, Hersteller von Energiespeichern für Erneuerbare, Tech-Giganten, ja sogar Konzerne aus der Öl- und Gasbranche. Aus dieser Dynamik heraus entsteht ein neues Energie-Ökosystem. Profit-Pools sind nicht mehr auf die Installation und den Betrieb von Infrastruktur sowie den Stromverkauf beschränkt. Neue Geschäftsbereiche tun sich auf, wie die Rückeinspeisung vom Fahrzeug ins Netz (Vehicle-to-Grid, V2G), Wärmepumpen sowie das Strommanagement und -marketing an Energiebörsen. All dies verleiht dem Markt zusätzliche Legitimität und fördert sein Wachstum.

Deutschland ist grundsätzlich gut aufgestellt, um von diesem vielschichtigen neuen Ökosystem zu profitieren. Es verfügt über die notwendigen Voraussetzungen, um sich gegenüber anderen Ländern einen Vorsprung zu sichern, und dürfte bei der Entwicklung eines profitablen neuen Markts daher eine Vorreiterrolle übernehmen.

Wie zufrieden sind die deutschen Autofahrer mit der derzeitigen Ladeinfrastruktur?

Mit 87 Prozent entspricht die allgemeine Zufriedenheit ungefähr dem globalen Niveau (82 %). Zugleich wird es immer wichtiger, Elektrofahrzeuge schnell laden zu können. Aktuell bestehen nur 16 Prozent der öffentlich zugänglichen Infrastruktur in Deutschland aus Gleichstrom-Ladestationen; der weltweite Durchschnitt liegt bei 22 Prozent. Auch der Standort ist extrem wichtig: Ladepunkte müssen dort installiert werden, wo die Menschen sich aufhalten, d. h. in Einkaufszentren oder am Arbeitsplatz. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur in urbanen Zentren und entlang wichtiger Verkehrswege ist entscheidend, um diesen Bedarf zu erfüllen.

Der Ladevorgang selbst muss unkompliziert sein und sich problemlos in das Alltagsleben der Konsumenten einfügen. Um Fahrten effektiv planen zu können, brauchen die Nutzer Echtzeitinformationen zur Verfügbarkeit von Ladepunkten sowie zu deren Status und den Ladekosten. Auch die nahtlose Interoperabilität der verschiedenen Ladenetzwerke und ein standardisiertes Zahlungssystem stehen auf dem Wunschzettel der Nutzer. Nicht zuletzt erwarten sie Zusatzangebote von der Ladeinfrastruktur, wie kostenloses WLAN und komfortable Wartebereiche. Angesichts des steigenden Umweltbewusstseins sollte der getankte Strom zudem aus erneuerbaren Energiequellen stammen.

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EV Charging Index: Experteneinblicke aus Deutschland

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Deutschland verzeichnet zwar ein rasantes Wachstum der E-Mobilität, muss beim Ausbau der Ladeinfrastruktur jedoch an Tempo zulegen. Detailinformationen zum Thema enthält der von Roland Berger veröffentlichte EV Charging Index.

Veröffentlicht August 2023. Vorhanden in
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